Der Gefangene der Wüste
Jahrhundert! Und dann bei uns! Meine Herren, ich verlange, daß rücksichtslos der gesamte Komplex dieser Schweinerei bereinigt wird! Rücksichtslos!«
Es war ein Befehl, der einigen Männern den Kopf kostete.
Zunächst war es Ali Hadschar, der mit seinen Bewachern in seinem Büro überrascht wurde. Ein Kommando der Armee drang wie im Kriegseinsatz in den Gebäudekomplex der Bars und Tanzhallen ein, stürmte die Säle, blitzschnell und ohne Warnung, daß niemand mehr Zeit hatte, sich in dem Labyrinth der Gänge, Zimmer und Treppen zu verbergen. Mit weiten Augen starrte Ali Hadschar die vier Soldaten an, die die Tür seines Büros aufrissen … es war sein letzter Blick, denn gleich darauf ratterten die Maschinenpistolen, und Ali Hadschar hatte für ein paar Sekunden das Gefühl, ein glühendes Sieb zu sein, ehe er vornüber fiel und ein Schuß in den Kopf alles Denken für immer auslöschte. Auch die Wächter Amar ben Fezzans fielen um wie gefällte Bäume, Staunen in den Augen, Nichtbegreifen, warum sie so plötzlich sterben mußten. Aber in diesen Minuten gab es kein Fragen mehr, nur ein Aufräumen großen Stils, ohne Rücksicht, ob auch Unschuldige unter den Opfern waren. Allahs Wille, das Schicksal, schlug zu.
Amar ben Fezzan saß neben Saada auf dem großen Bett und hörte ihre Lebensgeschichte an, als im Hause die große Unruhe begann. Noch waren keine einzelnen Töne zu erkennen, nur ein Rennen auf den Gängen und zweimal das Aufkreischen eines Mädchens.
»Ich habe hunderttausend Dinare für dich geboten«, sagte Fezzan, als Saada schwieg und verwundert auf den Lärm im Haus lauschte. »Hadschar, der alte Narr, weigerte sich. Nun überzeugen meine Leute ihn, daß er verkaufen muß!« Er lächelte, als ganz deutlich Schüsse zu hören waren. »Keine Aufregung, Saada … es gibt Menschen, die man zu ihrem Glück zwingen muß. Ich bin sicher, daß es dir bei mir gefallen wird.«
Saada sprang auf und wich wieder an die seidenbespannte Wand zurück.
»Du willst mich wirklich kaufen? Jetzt, nachdem du weißt, wer ich bin? Du bist nicht anders als Hadschar. Du bist genau so ein Lump wie er!«
»Man sollte nicht den beschimpfen, der dich aus diesem Haus befreit.« Fezzan senkte den Kopf und blickte Saada von unten herauf an. »Du bist schön –«
»Aber nur für einen Mann!« schrie sie zurück.
»Für den Deutschen?«
»Ja.«
»Welche Illusion!« Fezzan schüttelte den Kopf. Elegant schlug er ein Knie über das andere und holte eine goldene Zigarettendose aus der Tasche. Im Haus verstärkte sich das Geschrei. Mit ruhiger Hand steckte sich Fezzan die Zigarette an. Sie räumen auf, meine Jungs, dachte er. Anscheinend hat Hadschar seine Leute aufgehetzt … das hätte er nicht tun dürfen. – »Und du glaubst, daß du mit dem Deutschen glücklich geworden wärst?«
»Ja!« rief Saada. Sie drückte sich an die Wand. »Es gibt keine größere Liebe als zu ihm –«
»Ein fremdes Land, kalt und feindlich … ein weißer Mann, der unser Wesen nicht versteht … Menschen, für die du immer eine Fremde bleibst, eine Farbige, eine Außenstehende. Überall wirst du das spüren … schon wenn du ihnen die Hand gibst … sie werden zögern … ist sie sauber, stinkt sie nicht, kleben ihre Finger … man weiß das ja nie bei den Wilden … Nie wirst du wirklich glücklich sein. Nie! Du bist ein Kind der Wüste, und da mußt du bleiben. Was willst du ohne Palmen und Tamarisken, ohne die Wadis und bleichen Felsen, ohne den Sand und den Wind und ohne den Himmel voller Sterne über den bleichen Dünen …? Du würdest sterben vor Heimweh …« Fezzan hob die Hand … er streckte sie Saada hin wie zu einem Pakt. »Du bist frei. Du kannst zurückkehren in deine Oase Bou Akbir.« Er sah zur Tür. Über den Gang näherten sich schnelle Schritte. »Hadschar wird dich nicht mehr festhalten … ich nehme an … es gibt ihn nicht mehr. Ich bewundere dich, Saada … und meine Bewunderung ist, daß ich dich gehen lasse. Ich schenke dir die Wüste wieder … aber nur sie. Was starrst du mich so an?« Fezzan sprang vom Bett. »Benehme ich mich wie ein Irrer?« Er sah Saada mit einem Blick an, in dem fast väterliche Güte lag. »Ich habe dich weinen gesehen … auf der Bühne – und da wußte ich, daß Hadschar dich nie behalten durfte. Du findest das merkwürdig?« Fezzan zerdrückte die Zigarette in einem großen Aschenbecher neben dem Bett. Seine Stimme wurde dunkler. »Ich hatte einmal eine Tochter … Saida hieß sie … sie
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