Der Gefangene der Wüste
die vier Männer, die zum Verbandswechsel kamen, die Köpfe und grinsten breit.
»Pierre stellt sich vor«, sagte einer. »An der Visitenkarte wird der Doktor noch lange zu tragen haben.«
»Ihr wartet einen Augenblick.« Cathérine legte die Verbandspäckchen hin, holte die Pistole aus dem Halfter, entsicherte sie und steckte sie wieder ein. Plötzlich war es still im Zimmer, das Grinsen auf den Gesichtern erfror.
»Cathérine, lassen Sie den Blödsinn«, stotterte Leo Domaschewski, der jeden Tag zum Verbinden kam, denn immer hatte er irgendwo an seinem Körper eine leichte Verletzung, die es ihm erlaubte, sich von Cathérine anfassen zu lassen.
»Kümmert euch um euren eigenen Dreck!« fauchte sie grob, verließ mit großen Schritten die Ambulanz und warf die Tür zu.
»Jetzt gibt's Kleinholz«, sagte einer der Ölbohrer und suchte in seinen Taschen nach einer Zigarette. »Verdammt, wer die heiratet, muß Eisen fressen können!«
Pierre Serrat stand vor Dr. Bender, der nun einsam mitten im Zimmer saß, wie ein Delinquent auf dem elektrischen Stuhl. Er wird mich nicht angreifen, dachte Dr. Bender. Er blufft nur mit seiner Stärke. Er wird es niemals wagen, seinen Arzt zu schlagen. Er weiß genau, wie schnell es passieren kann, daß er mich braucht. Und außerdem … er weiß nicht, daß ich Judo und Karate kann. Auch dieses Gebirge aus Muskeln ist mit einem Schlag zu fällen, mit einer Bewegung umzuwerfen. Ich werde ihn damit besiegen, aber es wird eine Todfeindschaft entstehen, gnadenloser als der glühende Sand der Sahara.
Pierre Serrat schien diese Gedanken nicht zu haben. Er streckte die Arme vor, dick wie der obere Teil eines Elefantenrüssels, krallte die Hände in den Anzug Dr. Benders und hob ihn hoch wie eine Puppe.
»Den Schlüssel!« brüllte er. »Oder Cathérine muß Sie von der Wand kratzen –«
Dr. Bender wurde einer Antwort enthoben. Von der Tür krachte ein Schuß und fuhr vor Pierres Stiefelspitzen in die Dielen. So knapp war der Einschlag, daß die Sohle an der Kappe des linken Stiefels noch gestreift wurde.
Serrat ließ Dr. Bender fallen und wirbelte herum wie ein von hinten gestochener Stier.
»Du Satansaas!« schrie er dumpf, aber er blieb stehen, wo er war. »Du verfaulte Hure! Nimm das Ding weg!«
»'raus!« Cathérine winkte mit der Pistole zur Tür. Ihr Gesicht war von wilder Entschlossenheit. Serrat kannte es … so war es damals, als er sie ins Bett ziehen wollte und er zum erstenmal Respekt vor ihrer Pistole bekam, die sie unter dem Rock hervorzog, »'raus, du Büffel … oder ich schieße dir das weg, was du am liebsten hast!«
»Man sollte dich ans Bett nageln und dann ein ganzes Bataillon drüberjagen!« Pierre Serrat trommelte mit den Fingern gegen seine Schenkel. Er wußte, daß Cathérine schießen würde, wenn er auch nur eine falsche Bewegung machte … noch saß die Kugel im Bein, die er sich damals eingehandelt hatte.
»Gehen Sie hinaus, Doktor!« sagte Cathérine. »Ich muß mit dem Ochsen allein reden.«
»Nein. Das hier ist mein Zimmer. Ich bin der Ansicht, daß Eindringlinge zu gehen haben.«
»Und wenn ich Sie bitte –?«
Dr. Bender zögerte. Dann sah er die Augen Cathérines, und sie waren wieder von jenem grünen Glanz, den er schon am ersten Abend bewundert hatte.
Er hob die Schultern, wandte sich an Serrat, sagte: »Das war noch nicht alles!« und verließ sein Zimmer. Cathérine senkte die Pistole, als die Tür zugefallen war. Serrat tappte grunzend zum Fenster wie ein geschlagener Tanzbär.
»Was willst du?« fragte er.
»Laß ihn in Ruhe!« Cathérine stand breitbeinig an der Tür.
»Er ist ein Lackaffe!«
»Er ist anders als du, als ihr alle. Das ist er. Ihr seid Wüstensäue, – er ist ein Herr. Er kommt aus der Welt, die euch ausgestoßen hat, weil ihr ihre Ordnung zerstören wolltet. Ihr seid Außenseiter der Menschheit … er aber ist ein Mensch.«
»Welch ein Gesang!« Serrat lachte dumpf. »Wo juckt es denn, meine Süße?!«
»Genau dort, wo du es annimmst.« Cathérine sagte es in einem Ton, der nichts Anstößiges hatte, sondern nur die Wahrheit. »Ich liebe ihn!«
»Du?«
»Ja.«
»Unfaßbar! Cathérine mit einem Mann im Bett. Eher wird die Wüste grün!«
»Ich habe auf ihn gewartet, die ganzen Jahre, ohne es zu wissen. Ihr habt mich angeekelt, ihr schweißstinkenden Böcke! Jeder Mann war Brechreiz für mich. Warum – meine Sache! Und dann kam er. Ich stand am Fenster, als er aus dem Hubschrauber kletterte. Und ich wußte
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