Der Gefangene der Wüste
der Pistole; Achmed sah es mit Mißbehagen. »Zuletzt war er mit Ihnen zusammen, Ali.«
»Denken Sie an den Maulesel, mademoiselle.«
»Das glaubt Ihnen kein Hund.«
»Sie sind auch kein Hund, sondern ein Mensch«, sagte Achmed geschmeidig. »Ich kann Ihnen Zeugen bringen.«
»Zeugen. Die ganze Oase nickt, wenn Sie etwas sagen, Ali! Dr. Bender ist im Lager nicht angekommen –«
»Dann muß man ihn suchen.« Achmed schüttelte traurig den Kopf. »Die schreckliche Wüste. Unerfahrene frißt sie wie Geier.«
»Um Dr. Bender zu suchen, bin ich hier.« Cathérine sah Achmed starr an, und der Scheich hatte nicht die Kraft, diesem Blick standzuhalten. »Sie allein wissen, was mit ihm geschehen ist. Ich könnte eine Anzeige machen … dann käme das Militär in die Oase und krempelt sie um wie einen alten Rock. Das Ergebnis wäre gleich Null.«
»Allerdings.« Achmed lächelte schwach. »Wo kein Wasser ist, kann der Ochse nicht saufen.«
»Ihre weisen Sprüche in Ehren, Ali … aber ich finde Dr. Bender!«
»Dann sind Sie ein Wunder, mademoiselle.«
»Vielleicht. Moderne Wunder sind oft technischer Natur.« Sie dachte an das Kilogramm Dynamit, das sie im Jeep verstaut hatte. Ich lege es doch ans Haus, dachte sie. Ich blase es in die Luft. In der Nacht werde ich einen Platz finden, wo ich die Patronen verstecken kann. Und dann stelle ich mein Ultimatum. Achmed wäre kein lebensfroher Araber, wenn er diese Sprache nicht sofort verstände. Jetzt, im Augenblick, muß ich gehen. Ich habe nichts gegen ihn in der Hand.
Achmed dachte in einer anderen Richtung. »Natürlich können ihn Hubschrauber finden. Vielleicht auch Suchtrupps. Man sollte sich dorthin wenden, wo Geier kreisen«, fügte er hämisch hinzu.
»Ich weiß.« Cathérine drehte sich um und verließ grußlos den Raum. Achmed sah ihr nach, bis die Tür geschlossen wurde.
»Ein Teufel ist sie«, sagte er dann leise. »Wahrhaftig! Man soll nicht glauben, daß sie ein Weib ist –«
Cathérine handelte sofort. Sie tat zunächst das, was schon Bender einmal getan hatte und was sich als sehr wirksam erwiesen hatte: Sie umkreiste die Oase mit dem Jeep. Sie fuhr um Bou Akbir herum, tankte nach vier Stunden aus dem Reservekanister und fuhr weiter. Achmed, der hinter einer Ziermauer auf dem Dach seines hohen Hauses stand, wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Was soll das?« sagte er immer wieder, wenn Cathérine zwischen den Palmen auftauchte. »Das ist ja verrückt! Sie hat doch etwas im Sinn! Aber was, Allah, was? Ohne Zweck fährt kein Mensch dauernd um Bou Akbir! Es ist wie bei dem verfluchten Arzt … am Ende sprach ihn Saada an! Auf wen aber wartet Cathérine?!«
Er stieg nach drei Stunden hinunter in den Keller und fand Dr. Bender schlafend. Ihm war aller Zeitbegriff abhanden gekommen. Die Petroleumlampe war ausgebrannt. Tiefste Dunkelheit lag in dem großen Grab. Achmed ließ eine neue Lampe kommen und leuchtete Bender ins Gesicht. Er erwachte sofort und sprang auf.
»Geht es los?« fragte er schwer atmend.
»Was soll losgehen?« Achmed wurde durch diese Frage überrumpelt. Er stellte die Lampe auf den Steinboden.
»Mein Begräbnis. Was wollen Sie noch sagen, Achmed? Ich kann Ihnen nur eins versichern: Ich weiß nicht, wo Saada ist! Aber ich weiß eins genau: Ich liebe sie!«
»Das alles ist unwichtig.« Achmed lehnte sich gegen die Wand. Plötzlich zitterte er. »Ich hatte Besuch aus Ihrem Lager. Er hat mich überzeugt, daß Saada nicht bei Ihnen war, als wir sie dort suchten. Sie ist mit dem Rad weggefahren und seitdem verschwunden.«
»Das lügen Sie mir vor, Achmed!«
»Nein. Doktor, ich bitte Sie –« Achmed hob beide Hände. »Mein Vaterherz ist zerstört. Saada ist weg! Niemand hat sie mehr gesehen. Ich zerbreche an diesem Kummer! Können Sie das verstehen? Saada ist verschwunden –«
Dr. Bender starrte Achmed wortlos an. Und dann begriff auch er, was das bedeutete, was mit Saada geschehen sein konnte, wenn Achmed nicht wieder ein blendendes Theater spielte.
»Sie … sie ist wirklich weg?« stammelte er heiser.
»Ja. Aufgelöst wie ein Wassertropfen in der Sonne.«
»Lassen Sie Ihre blumigen Vergleiche!« brüllte Bender außer sich. Das Bewußtsein, Saada könnte wirklich in der Wüste verschollen sein, machte ihn zu einem Bündel vibrierender, zuckender Nerven. »Warum unternehmen Sie denn nichts?! Warum sperren Sie mich in ein Grab, anstatt Saada zu suchen?«
»Suchen? Wo denn?« Achmed wischte sich über die Augen. Betroffen
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