Der gefangene Stern
ihrem Pub oder ihrer Wohnung. Aber dann hätte er sich selbst die Finger schmutzig machen müssen. Außerdem war es wichtig, dass er eine gewisse Distanz zu den Ereignissen wahrte.
Der Kopfgeldjäger wäre für ihre Entführung und ihren Tod verantwortlich gemacht worden, da solche Männer nun einmal von Natur aus gewalttätig und unberechenbar waren. Und die Polizei hätte den Fall schnell als abgeschlossen betrachtet.
Stattdessen war sie jetzt auf der Flucht, höchstwahrscheinlich mit dem Diamanten in der Tasche. Sie wird wieder auftauchen, dachte er, wobei er sich zwang, langsam und gleichmäßig zu atmen. Mit Sicherheit würde sie bald mit ihren Freundinnen Kontakt aufnehmen, denn wie er inzwischen wusste, waren die drei bewundernswert eng befreundet. Eine von ihnen war momentan spurlos verschwunden und die andere außerhalb seiner Reichweite – aber wenn Ms. O’Leary Kontakt aufnahm, hatte er alle drei. Und die Steine.
Endlich, dachte er mit einem genüsslichen Lächeln. Bailey James war offenbar beides: eine gute Freundin und eine intelligente Frau. Intelligent genug, um herauszufinden, dass ihre Stiefbrüder versucht hatten, die Drei Sterne zu fälschen, intelligent genug, um ihnen vorher einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Nun, auch darum würde er sich kümmern.
Er hatte Jahre seines Lebens damit verbracht, die Drei Sterne zu finden, einen Großteil seines Vermögens dafür eingesetzt und nicht gezögert, über Leichen zu gehen. Jetzt gehörten sie fast ihm. Sie waren so nah, so unglaublich nah, dass seine Finger vor Entzücken kribbelten.
Sobald er sie in seinen Händen hielt und in das Dreieck auf dem Altar eingefügt hatte, besaß er uneingeschränkte Macht. Und Unsterblichkeit.
Dann würde er die drei Frauen selbstverständlich umbringen.
Das, dachte er, ist doch wohl eine geeignete Opfergabe an einen Gott.
4. KAPITEL
E r hatte sie allein gelassen. Konnte sie ihm wirklich glauben, dass er nur gegangen war, um etwas zu essen zu besorgen, und bald zurückkommen würde? Mir jedenfalls traut er nicht über den Weg, dachte sie und rasselte wütend mit den Handschellen.
Allerdings musste sie zugeben, dass er sie richtig einschätzte. Sie wäre schnell wie der Blitz davongerannt – aber nicht etwa aus Angst vor ihm. Inzwischen glaubte sie nicht mehr, dass er ihr wehtun wollte, sonst hätte er das schon längst getan.
Schließlich hatte sie gesehen, was er mit dem Gorilla angestellt hatte. Er war wendig, schnell und bewundernswert stark. Nur ungern gestand sie sich ein, dass er sich bei dem Handgemenge mit ihr sehr zurückgehalten hatte. In einem echten Kampf hätte er sie schwer verletzen können.
Wirklich verletzt hatte er nur ihren Stolz.
Außerdem war er nicht dumm – was sie überrascht hatte. Vermutlich war sie auf sein Äußeres hereingefallen. Aber neben einer gewissen Schläue, die sie von so einem Mann erwartete, schien Jack Dakota wirklich intelligent und gebildet zu sein.
Sein Wissen über die Drei Sterne stammte garantiert nicht aus dem Wartezimmer seines Zahnarztes. Also musste sie davon ausgehen, dass mehr in ihm steckte, als sie zunächst angenommen hatte. Die Frage war, ob diese Tatsache einen Vorteil oder einen Nachteil bedeutete.
Auch dass er sich ihr sexuell nicht aufdrängen würde, wusste M.J. nun. Wahrscheinlich hatte er sie vorhin nur einschüchtern wollen, damit sie ihm endlich die Wahrheit sagte.
Tja, das hatte nicht funktioniert.
Verdammt, dieser Mann konnte vielleicht küssen.
Aber das war nicht das Thema. Düster beobachtete sie den albernen Film im Fernsehen. Jack hatte die Lautstärke wieder voll aufgedreht, bevor er gegangen war.
Nein, sie hatte keine Angst vor ihm, aber vor der Situation. Außerdem wollte sie nicht hier herumsitzen und nichts tun. Sie war ein tatkräftiger Mensch. Darum kniete sie sich hin, starrte auf die Handschellen, drehte ihr Handgelenk erst in die eine, dann in die andere Richtung und krümmte die Hand wie ein Entfesslungskünstler bei seinem neuesten Trick.
Dann untersuchte sie die Sprossen am Kopfende und stellte fest, dass sie leider stabil waren.
Billige Hotels sind auch nicht mehr, was sie mal waren, dachte sie seufzend. Hätte sie doch nur eine Haarklammer, einen Nagel oder einen Hammer. Doch in der klebrigen Schublade des Nachttischs fand sie nur ein zerfleddertes Telefonbuch und zerbröselte Bonbons.
Jack hatte ihre Handtasche mitgenommen, was sie ärgerte, obwohl sie auch darin weder Haarnadel, Nagel noch Hammer
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