Der gefangene Stern
nach, Herzchen. Wer auch immer Ralph das angetan hat, würde gern dasselbe mit Ihnen anstellen. Sehen Sie gut hin, und dann fragen Sie sich, ob Sie auch so enden wollen.“ Er wartete einen Moment und betrachtete ihr Schweigen als Einverständnis. „Und jetzt können Sie ins Hinterzimmer gehen und sich den Anblick ersparen, oder Sie helfen mir, dieses Chaos durchzusehen.“
Als sie sich abwandte, ging er davon aus, dass sie hinausgehen würde. Vielleicht würde sie sogar abhauen, unabhängig von der gefährlichen Gegend. Doch sie blieb vor einem Aktenschrank stehen und griff sich eine Handvoll Papiere. „Wonach suchen wir?“
„Nach irgendwas.“
„Das grenzt die Sache natürlich erheblich ein. Und warum sollten wir noch was finden? Die Typen waren doch schon vor uns hier.“
„Er hat irgendwo Kopien, garantiert.“ Jack knurrte leise. „Warum hat er keinen Computer benutzt wie jeder normale Mensch?“
Jack stand auf, lief zum Schreibtisch und zerrte eine Schublade hervor, die er durchsuchte, umdrehte, die Unterseite abtastete und dann in hohem Bogen wegwarf. Dasselbe tat er mit der zweiten Schublade. Bei der dritten entdeckte er einen zweiten Boden. Er schnalzte zufrieden, woraufhin M.J. sich umdrehte und sah, wie er mit einem Taschenmesser auf das Holz losging. Sie hielt die Schublade fest. „Es ist zugeklebt worden“, erklärte er. „Und zwar erst vor Kurzem.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Weil die Klebestellen sauber sind. Kein Staub, kein Schmutz. Passen Sie auf Ihre Finger auf. Hier, nehmen Sie das Messer. Lassen Sie mich …“ Sie wechselten sich ab. Mit einem Mal sprang das Holz auf. „Schließfach“, murmelte er und hielt einen Schlüssel hoch. „Ich frage mich, was Ralph darin aufbewahrt.“
„Busbahnhof? Bahnhof? Flughafen?“ M.J. musterte den Schlüssel. „Da steht nur eine Nummer drauf.“
„Ich schätze mal eins von den ersten beiden. Ralph ist nicht gern geflogen, und der Flughafen liegt ziemlich weit weg.“
„Trotzdem bleiben eine Menge Schließfächer übrig.“
„Wir finden das richtige.“
„Haben Sie eine Ahnung, wie viele Schließfächer es in Washington und Umgebung gibt?“
Er drehte den Schlüssel in den Fingern und lächelte dünn. „Wir brauchen nur eines.“ Dann nahm er ihre Hand, und bevor sie begriff, was er vorhatte, schloss er sie wieder mit den Handschellen zusammen.
„Hergottnochmal, Jack“, stöhnte sie.
„Ich gehe nur auf Nummer sicher. Kommen Sie, wir haben viel Arbeit vor uns.“
Beim ersten Busbahnhof öffnete er widerwillig die Handschellen, bevor er M.J. zu einer Telefonzelle zog, anonym bei der Polizei anrief und den Mord meldete. Dann wischte er sorgfältig den Hörer ab. „Im Falle einer Anruferkennung können sie leicht herausfinden, aus welcher Telefonzelle ich angerufen habe.“
„Und ich gehe davon an, dass Ihre Fingerabdrücke bei der Polizei vorliegen.“
Er grinste. „Da hat es mal ein kleines Missverständnis beim Billard in meiner vergeudeten Jugend gegeben. Fünfzig Dollar und eine kurze Gefängnisstrafe.“
Als er sich umdrehte, wurde sie gegen die Glasscheibe gepresst. „Ist ein bisschen eng hier.“
„Ist mir auch schon aufgefallen.“ Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Sie haben sich toll gehalten vorhin. Die meisten Frauen wären hysterisch geworden.“
„Ich werde nie hysterisch.“
„Stimmt, ist mir auch schon aufgefallen. Und darum regen Sie sich jetzt auch nicht auf, okay?“ Er senkte den Kopf. „Nur ganz kurz.“ Dann küsste er sie.
Sie hätte sich wehren können. Und das wollte sie eigentlich auch. Doch der Kuss war angenehm, beinahe freundschaftlich. Zumindest hätte er freundschaftlich sein können, wenn ihre Körper nicht so aneinandergepresst gewesen wären. Außerdem hätte ein freundschaftlicher Kuss nicht dazu geführt, dass sie am liebsten die Arme um seinen Hals geschlungen und ihn so fest wie möglich an sich gezogen hätte. Als Kompromiss ballte M.J. die Hand in seinem Rücken zur Faust, hielt ihn also nicht fest, wehrte sich aber auch nicht.
Ihre Lippen öffneten sich, wenn auch nur für einen Moment. Doch das hatte gar nichts zu bedeuten. Konnte einfach nichts bedeuten.
„Ich will dich“, murmelte er an ihrem Mund und noch einmal, als er die Lippen auf ihren Hals drückte. „Verdammt schlechter Zeitpunkt und auf jeden Fall der falsche Ort. Aber ich will dich, M.J., und es fällt mir nicht leicht, überhaupt an etwas anderes zu denken.“
„Ich
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