Der gefangene Stern
verständnisvoll. „Nun, in der Not frisst der Teufel Fliegen, Kumpel. Es ist schön hier draußen – allerdings ganz schön abgekühlt. Aber weißt du, was das Problem ist? Man hört einfach nichts. Keinen Verkehr, keine Stimmen, nichts bewegt sich. Ich finde das ganz schön unheimlich.“
„Leute, die in so einem Haus leben, sind nicht wirklich gern mit anderen Leuten zusammen.“ Er war so hungrig, dass er die Kräcker ganz allein hätte verschlingen können. „Du und ich, wir sind gesellige Wesen. Wir laufen in einem vollen Raum zur Bestform auf.“
„Stimmt genau, darum arbeite ich auch fast jeden Abend in meinem Pub. Ich mag es, wenn viel los ist.“ Grüblerisch betrachtete sie die hinter den Bäumen untergehende Sonne. „Heute Abend ist es bestimmt relativ ruhig. Feiertag. Die werden sich wundern, wo ich bin. Aber ich habe eine sehr gute Tresenkraft, die sich um alles kümmern kann.“ Sie griff nach ihrem Glas. „Ich schätze, die Polizei ist bereits vorbeigekommen und hat mit ihr und meinem Barkeeper gesprochen, vielleicht auch mit ein paar Stammgästen. Bestimmt machen sie sich Sorgen.“
„Es dauert nicht mehr lange.“ Unter der Dusche hatte er weiter an seinem Plan gearbeitet. „Und dein Pub kommt auch mal ein paar Tage ohne dich aus. Du nimmst doch auch Urlaub, oder?“
„Hier und da mal ein paar Wochen.“
„Und als Nächstes steht Paris auf dem Plan.“
Dass er sich daran erinnerte, überraschte sie. „Genau, das ist unser Plan. Warst du schon einmal dort?“
„Nein, du?“
„Nein. Wir sind immer nach Irland gereist, als ich ein Kind war, und Dad bekam immer ganz feuchte Augen. Er ist zwar auf der West Side von Manhattan aufgewachsen, aber man könnte meinen, er wäre in Dublin geboren und von Zigeunern entführt worden. Davon abgesehen, war ich noch nie außerhalb von Amerika.“
„Ich war in Kanada und in Mexiko, bin aber noch nie über den Atlantik geflogen.“ Lächelnd nahm er ihr wieder das Glas aus der Hand. „Ich glaube, deine Soße brennt an, Herzchen.“
Fluchend verschwand sie in der Küche. Er hörte sie vor sich hin murren, während er die Champagnerflasche betrachtete. Normalerweise empfahl er Alkohol nicht als Beruhigungsmittel, aber sie befanden sich in einer Notlage. Er hatte den Schmerz in ihren Augen gesehen, als sie von Paris sprach. Zumindest ein paar Stunden lang sollte sie ihre Freundinnen vergessen.
„Gerade noch rechtzeitig“, sagte sie, als sie wieder auf die Terrasse trat. „Ich habe schon mal das Wasser für die Nudeln aufgesetzt. Ich weiß nicht, wie lange diese Soße kochen sollte – wahrscheinlich drei Tage, aber wir essen sie eben roh.“
Grinsend reichte er ihr das frisch gefüllte Champagnerglas. „Von mir aus gern. Im Kühlschrank steht noch eine Flasche, oder?“
„Ja, ich besorge ihr übrigens immer diesen Champagner. Mein Getränkelieferant ist darüber sehr begeistert.“ Sie kippte das Glas hinunter und brach dann in Kichern aus. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, was meine Kunden sagen würden, wenn ich Bruder Dom auf die Getränkekarte setzen würde.“
„So langsam gewöhne ich mich dran.“ Er stand auf. „Ich gehe mal Musik auflegen. Hier ist es viel zu ruhig.“
„Gute Idee.“ Sie sah besorgt zum Wald. „Weißt du, Grace hat mal gesagt, dass es hier Bären und so was gibt.“
Zweifelnd folgte er ihrem Blick. „Dann sollte ich wohl besser meine Pistole aus dem Auto holen.“
Zu ihrer Überraschung kam er nicht nur mit seiner Pistole, sondern auch mit Kerzen zurück. Dann stellte er das Radio an und steckte ihr eine rosa Blume, die seiner Ansicht nach mehr oder weniger wie eine Nelke aussah, hinters Ohr.
„Ja, du hast recht, Rothaarige können Rosa tragen“, entschied er. „Du siehst niedlich aus.“
Sie blies sich das Haar aus der Stirn. „Was ist das denn? Ein Romantikanfall?“
„Kommt gelegentlich vor.“ Er küsste ihren Hals. „Stört dich das?“
„Nein.“ Mit geneigtem Kopf genoss sie das Kribbeln in ihrem Bauch. „Aber um richtige Romantik aufkommen zu lassen, musst du jetzt essen und so tun, als ob es dir schmeckt.“ Als er die zweite Flasche Champagner aus dem Kühlschrank holte, runzelte sie die Stirn. „Weißt du eigentlich, was so eine Flasche kostet? Selbst im Einkaufspreis?“
„In der Not frisst der Teufel Fliegen.“ Er ließ den Korken knallen.
Die Nudeln hatten etwas zu lange gekocht, die Soße war fad, aber unbedenklich. Und da sie beide fast am Verhungern waren, nahmen
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