Der Gefangene von Zhamanak
Männer, dachte Mjipa mürrisch, hielten sie zweifellos für das schönste Geschöpf auf zwei Beinen. Ihre wohlgeschwungenen Wangenknochen, die schmale, gerade, in einem kleinen, kecken Stups endende Nase und die harmonisch geschnittenen Gesichtszüge waren genau das, was Kaukasoide in Zeitungsreklamen und Filmen attraktiv fanden. Auf Mjipa freilich machte das wenig Eindruck. Seine Vorstellungen von weiblicher Schönheit, geformt in seiner Jugend in Botswana, waren ganz anders.
Alicia war barfuss und trug ein kurzärmliges Khakihemd, dazu Shorts aus demselben Material. Die Kleidungsstücke waren nicht sehr sauber, und eine Hemdentasche war so stark eingerissen, dass sie nicht mehr zu gebrauchen war.
Mjipa schaute sich um. Der Raum war ungefähr vier mal sechs Meter groß – das heißt, der innere Teil. Eine ähnlich große Fläche schloss sich nach außen hin an, in den Palastgarten hineingebaut. Dieser Anbau war mit Metallstäben eingefriedet, die gleichzeitig sein Dach trugen. Ein System von Vorhängen und Blenden, die jetzt bis zur Decke hochgerollt waren, trennte den Anbau vom inwärtigen Teil des Raums.
In einer Ecke stand ein flaches Bett mit einem Holzrahmen, der mit über Kreuz verlaufenden Seilen bespannt war. Eine andere Ecke war von einem Verschlag aus rohen Brettern ausgefüllt, durch dessen Tür Mjipa das primitive khaldonische Äquivalent von sanitären Einrichtungen erkennen konnte. Eine schlichte Sitzbank vervollständigte das Mobiliar.
Mjipas Rundblick dauerte nur ein paar Sekunden. Dann antwortete er: »Ja, ich bin Mjipa.«
»Aber wieso … warum …«
»Ich bin geschickt worden, um Sie zu retten, aber jetzt sieht es ganz danach aus, als ob sie noch jemand losschicken müssten, der uns beide hier rausholt.«
»Sie armer Kerl! Welchen Grund hat Khorosh, Sie auch einzusperren? Meistens sind sie äußerst vorsichtig, was die Behandlung von terranischen Offiziellen anbetrifft. Haben Sie denn keine diplomatische Immunität?«
»Diese Burschen haben davon noch nie was gehört. Aber jetzt erzählen Sie mir mal, wieso er Sie eigentlich eingebuchtet hat. Haben Sie ihn provoziert, wie Sie es offenbar mit Vuzhov und Ainkhist gemacht haben?«
»Ich hatte gar nicht die Zeit, überhaupt irgendwas zu machen. Ich war kaum angekommen, da packten mich Khoroshs Soldaten auch schon und steckten mich hier rein.«
»Haben sie Ihnen denn keinen Grund genannt?«
»Oh, Khorosh besuchte mich und sagte, jetzt hätte er endlich einmal die Möglichkeit, einen Terraner eingehend zu studieren; er wäre nämlich sicher, dass wir seine Feinde wären und danach trachteten, sein Volk zu unterjochen und auszubeuten.«
»Hört sich an, als hätte er irdische Geschichte gelesen.«
»Vielleicht hat er das tatsächlich. Er sieht in uns dasselbe wie in den europäischen Imperialisten des neunzehnten Jahrhunderts.«
»Oder in Mohammeds Arabern oder Cäsars Römern; es ist im Grunde alles dasselbe. Weder Bill Kennedy noch ich hatten jemals imperialistische Anwandlungen; aber woher wollen wir wissen, wie die Politik von Novorecife in hundert Jahren aussieht?«
»Tja, wer weiß das schon? Aber sehen Sie ‚die Löcher da oben in der Decke?« Sie zeigte nach oben. »Das sind Gucklöcher, durch die Khorosh oder seine Günstlinge uns beobachten können. Deshalb habe ich auch auf einem privaten Badezimmer bestanden und sie schließlich soweit gekriegt, dass sie mir das Ding da gebaut haben.« Sie zeigte auf den Verschlag. »Es zahlt sich manchmal aus, wenn man eine Quasselstrippe ist. Ich glaube, sie haben das Ding bloß gebaut, weil ihnen mein ewiges Gequengel auf die Nerven ging. Aber warum sind Sie hier?«
»Wenn Khorosh ein Erdenmensch wäre, würde ich sagen, er ist ein verdammter Paranoiker, der nicht den leisesten Widerspruch vertragen kann. Außerdem … ähem …« Mjipa starrte verlegen zu Boden. »Wenn ich ihn richtig verstanden habe … wissen Sie, mein Khaldoni ist nicht sehr gut, und wenn sie drauflosrattern, kriege ich immer nur die Hälfte mit … nun, jedenfalls, also, ich glaube, er hat so was gesagt von wegen, er wolle rauskriegen, ob Ihre und meine Rasse … eh … gekreuzt werden können.«
Alicia starrte ihn einen Moment verdutzt an, dann brach sie in schallendes Lachen aus. »Sie meinen, er will zugucken, wie wir miteinander ficken, und dann warten, was dabei rauskommt?«
Mjipa zuckte sichtlich geschockt zusammen. »Ach, kommen Sie, Percy!« rief Alicia fröhlich. »Erzählen Sie mir nicht, dass ich ein
Weitere Kostenlose Bücher