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Der Gefangene von Zhamanak

Titel: Der Gefangene von Zhamanak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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Lehre?«
    Der Hohepriester setzte seine Brille auf und zog ein Buch aus den Falten seiner Robe. Es bestand – wie alle krishnanischen Bücher – aus einem zickzackförmig gefalteten langen Streifen Papier, der von zwei Deckeln aus dünnem Holz gehalten wurde. Er löste die Schnur, die das Buch geschlossen hielt, und schlug es an einer der Falten in der Mitte des Streifens auf. Mjipa vermutete, dass der Priester die Seite mit einer Klammer oder einem Lesezeichen gekennzeichnet hatte, um die Stelle auf Anhieb finden zu können.
    Mit sonorer, salbungsvoller Stimme verkündete der Hohepriester: »Ich habe hier ein Exemplar des Vetsareph, unseres heiligen Buches, welches euch allen bekannt ist. Ich zitiere nun aus Kapitel vierzehn, Vers neun: ›Und die Götter des Himmels sitzen auf ihren goldenen Thronen über der Kuppel des Firmaments; und die Kreaturen, die da unter ihnen leben und weben auf der Scheibe der Welt, erscheinen ihnen wie winzige Käfer. ‹ Das ist eine Aussage über die Form der Welt, wie man sie eindeutiger nicht finden kann.
    Sollte dennoch irgendein Zweifel an der Aussagekraft dieses göttlich inspirierten Passus bestehen bleiben, dann will ich eine weitere Stelle zitieren, und zwar aus dem zweiundzwanzigsten Kapitel, Vers dreiundvierzig: ›Und der Herr Phaighost, König der Götter und Herrscher über das Universum, führte seinen treuen Jünger Shadleiv hinauf auf den Gipfel des Berges Meshaq und zeigte ihm alle Länder der Welt mit ihren Königreichen, Republiken, Stämmen und unbewohnten Wüsteneien. ‹ Es ist ganz einleuchtend, dass, wiese die Welt die Gestalt eines Würfels, einer Halbkugel, einer Pyramide oder eines anderen geometrischen Körpers auf, der Prophet Shadleiv nicht alle Teile der Welt zugleich und von einer Stelle aus hätte überschauen können.
    Schließlich möchte ich noch aus dem siebenundzwanzigsten Kapitel, Vers drei, vorlesen: ›Und der Herr Phaighost sprach zu Shadleiv: Fürwahr, mein Sohn, meine Worte sollen ausgehen von dir und deinen Jüngern, auf dass ihr sie bis ans Ende der Welt verbreitet, bis zum äußersten Rand derselben. ‹ Nun, ’s ist völlig klar, was auch immer von Dämonen inspirierte Fremdlinge aus den Schlünden der Hölle selbst behaupten mögen, eine Kugel kann weder Ende noch Rand haben …«
    Mjipa stand auf, wischte sich den Schweiß von der glänzenden schwarzen Stirn und ging aus dem Gerichtssaal. Obwohl es bereits zu spät am Tag war, um noch nach Zhamanak aufzubrechen, verspürte er kein Verlangen danach, noch länger in dem Saal auszuharren und sich den Rest dieses mittelalterlichen Ketzerprozesses anzuhören. Zwar hatte er die Fragen des Verteidigers erfolgreich pariert, aber das Gefühl tiefer Scham überschattete die Befriedigung darüber. Er hielt es nicht länger an dem Ort aus, an dem man ihn gezwungen hatte, heuchlerisch Lügen als seine wahren Ansichten auszugeben.
    Später, in Chanapars Büro, sagte der Minister: »Ihr seid nicht so überzeugend für die Lehre der flachen Welt eingetreten, wie mein Herr, der das Prozeßprotokoll des heutigen Tages studiert hat, es gern gesehen hätte.«
    »Ihr habt mir vorenthalten, dass man mich ins Kreuzverhör nehmen würde. Und so musste ich diesen unvorhergesehenen Fragen ausweichen, so gut ich das ohne Vorbereitung vermochte.«
    »Gewiss, das war ein Versäumnis. Der Heshvavu wollte die Kopie der Ahnentafel zuerst nicht herausgeben, aber ich überzeugte ihn, dass es, nun, da die Kopie einmal gefertigt war, sinnlos sei, sie Euch nicht zu geben. Bitte, hier ist sie.«
    »Danke«, brummte Mjipa und faltete das große Blatt sorgfältig zusammen, so dass er es in seine Tragtasche stecken konnte. »Mit Eurer freundlichen Erlaubnis werde ich morgen früh bei Tagesanbruch nach Zhamanak aufbrechen.«
     
    Zehn Tage später erreichten Mjipa und seine Krishnaner zum zweiten Mal die Grenze zu Mutabwk. Als die blaubemalten Grenzposten ihn erkannten, zog er die zusammengefaltete Kopie der Ahnentafel aus seiner Tasche.
    »Hier! Dies ist, was der Heshvavu als Preis dafür verlangt hat, dass ich passieren darf. Kann ich jetzt Weiterreisen?«
    »Noch nicht«, beschied ihm der diensthabende Offizier. »Zuerst muss dieses Papier zur Prüfung nach Yein gebracht werden.«
    Mjipa stöhnte auf. »Heißt das, noch einmal so einen halsbrecherischen Ritt durch die Nacht mitmachen zu müssen?«
    »Ihr braucht nicht zu reiten. Spisov! Bring dieses Papier sofort zu Minister Zharvets. Wenn er es gutheißt, kehre eiligst

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