Der Gefangene von Zhamanak
Sie irgendeine dieser geschmacklosen Perversionen im Sinn haben, dann sag ich Ihnen gleich: ohne mich! Ich mache es entweder auf die normale Art oder überhaupt nicht.«
Alicia seufzte. »Sie sind wirklich ein Neopuritaner!«
»Na und? Den hab ich mir auch ehrlich erworben. Ihr Weißen denkt immer noch, wir Schwarzafrikaner wären fröhliche, ungehemmte Naturburschen; aber das ist ganz und gar nicht so. Selbst zu den Zeiten, bevor die Weißen kamen, hatten die meisten südlichen Bantu-Stämme äußerst strenge Sittencodizes. Bei den Amazulu zum Beispiel stand auf Ehebruch die Todesstrafe, und zwar für beide daran Beteiligten. Natürlich hat sich seitdem vieles geändert; aber es existieren noch immer eine Menge dieser alten Einstellungen.«
»Ich dachte dabei eigentlich an etwas anderes – ich nehme an, Sie wissen, dass die Krishnaner sich ein wenig mit Verhütung auskennen?«
»Ja, das weiß ich; aber das hilft uns auch nicht weiter.«
»Wenn wir jemanden dazu bringen könnten, uns vielleicht was reinzuschmuggeln …«
»Erstens würde das Khoroshs Experiment ruinieren; er wird also aufpassen wie ein Luchs. Zweitens haben wir nichts, womit wir einen der Wärter schmieren könnten. Wenn ich schon irgendwas hier reinschmuggeln wollte, dann eine Metallsäge – falls die so was haben.« Jetzt seufzte zur Abwechslung Mjipa. »Kommen Sie, machen wir ein paar tiefe Kniebeugen.«
Die Tage schleppten sich dahin. Die Gefangenen spielten krishnanische Dame. Sie machten Ratespiele. Sie machten Gymnastik. Sie studierten durch die Gitterstäbe der Terrasse die Pflanzen- und Tierwelt des königlichen Gartens. Sie fragten einander khaldonische Vokabeln und Grammatik ab.
Trotz alledem fühlte sich Mjipa zunehmend unausgefüllt und frustriert. Aus Alicias Verhalten schloss er, dass es ihr ähnlich erging. Sie wurden immer reizbarer, stritten sich wegen Nichtigkeiten und fauchten sich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit an. Alicia ließ keine Gelegenheit aus, Mjipa wegen seines Puritanismus und seiner, wie sie es nannte, idealistischen Naivität aufzuziehen. Dazu nervte sie ihn mit ihren ständigen Vorträgen, welche Politik Novorecife gegenüber den Krishnanern betreiben sollte, bis er schließlich aus der Haut fuhr:
»Verdammt noch mal, Frau, wenn Sie nicht ewig allen Leuten erzählen müssten, was sie zu tun und zu lassen haben, dann säßen wir jetzt nicht hier eingesperrt!«
»Sie sind nicht ganz bei Trost, Percy! Ich habe Ihnen doch gesagt, ich bin gar nicht erst dazu gekommen, irgend jemandem in Zhamanak irgendwas zu erzählen!«
»Aber dafür haben sie den anderen Khaldoniern Vorträge gehalten. Haben Sie zufällig auch mit einem gewissen Doktor Isayin in Kalwm über Geographie diskutiert?«
»Jetzt, wo Sie es erwähnen, fällt es mir wieder ein. Er hatte von der Theorie gehört, dass der Planet rund wäre, und wollte dazu meine Meinung als Raumreisende hören. Also beantwortete ich ihm seine Fragen wahrheitsgemäß. Aber warum fragen Sie?«
»Der arme Kerl sitzt jetzt im Knast und wartet auf seine Hinrichtung wegen Ketzerei. Sie haben ihn offenbar von der Rundwelt-Theorie so sehr überzeugt, dass er anfing, sie seinen Schülern zu lehren.«
»Oh, wie schrecklich! Können wir denn gar nichts für ihn tun?«
»Ich befürchte, nein. Sie können noch von Glück reden, dass man Sie nicht auch in den Kerker geworfen oder Ihnen gar Ihr hübsches Köpfchen abgehackt hat.«
»Ach, hören Sie auf! Ich habe lediglich eine klare Antwort auf eine klare Frage gegeben, wie es jeder Terraner getan hätte. Wenn Isayin so dumm ist, Dinge, die er in einem Gespräch unter vier Augen erfährt, gleich an die große Glocke zu hängen …«
»Das wird sicherlich ein großer Trost für ihn sein, wenn man ihn pfählt oder was immer man hier mit Ketzern anstellt. In einer fremden Gesellschaft müssen Sie lernen, alles, was Sie äußern, vorher genau abzuwägen.«
»Aber wenn Sie sehen, wie jemand ganz offensichtlich in sein Unglück rennt, dann ist es nur recht und billig, dass Sie ihn warnen«, verteidigte sie sich. »Sie sehen ja auch nicht untätig zu, wie ein Blinder sich auf einen Abgrund zubewegt. Zum Beispiel hatte Khorosh gerade das Papiergeld entdeckt; also sagte ich ihm, was passieren würde, wenn er das Land damit überflutete …«
»Ha! Gerade erzählen Sie mir noch, dass Sie niemanden in Zhamanak belehrt hätten, und jetzt kommt raus, dass Sie, kaum dass Sie hier angekommen waren, gleich dem König
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