Der Gefangene von Zhamanak
dass man ihnen nach oben gefolgt war. Von unten drangen trotz – oder möglicherweise wegen – der Intervention von Vuzhovs Garde noch immer Kampfgeräusche herauf; aber wer da gegen wen kämpfte, vermochte Mjipa natürlich nicht zu sagen.
Mjipa schloss die Klappe wieder. Nach einem kurzen prüfenden Blick keuchte er: »Ich denke, ich kann sie festkeilen. Wenn ich doch jetzt bloß noch den Hammer hätte! Herr Doktor, wo ist Eure Hellebarde?«
»Ich habe sie fallengelassen«, krächzte der Gelehrte, heftig nach Luft schnappend. »Ich – hatte – nicht mehr – die Kraft – sie all die – Stufen – hinaufzutragen.«
Mit einem Knurren zwängte Mjipa die Spitze seines Dolchs in den Ritz zwischen Klappe und Öffnung, und dann schlug er mit dem Griff seines Schwerts auf den Knauf des Dolchs, bis die Klinge so tief wie irgend möglich hineingetrieben war.
»Damit dürften sie eine Weile beschäftigt sein«, sagte er.
»Aber wie sollen wir jetzt hier wegkommen?« fragte Alicia. »Wir können ja nicht fliegen wie Prinz Bourujird in der Legende, mit seinem Aqebat-Kampfwagen.«
»Ein paar von Prinz Ferrians Raketengleitern wären da schon etwas praktischer. Aber ich glaube, ich weiß, wie wir nach unten kommen. He, das sehe ich ja jetzt erst! Du bist ja auch verwundet! Ist’s schlimm?«
»Tut weh, ist aber nichts Ernstes«, antwortete sie. »Dein Freund, der Professor, hat mich aus Versehen mit seiner Hellebarde gepiekst.«
»Wir müssen ein paar Verbände improvisieren. Das Bein bringt mich um, und die Schnittwunde in deiner Seite blutet auch noch.«
»Gib mir mal dein Schwert!« sagte Alicia und löste ihren Kilt. Gleich darauf hatte sie mit zwei geschickten Schnitten zwei Streifen vom unteren Rand des Kleidungsstücks abgetrennt. »Ich – ich bedaure es zutiefst – dass ich Eure Dame verwundet habe«, keuchte Isayin. »Ich sagte ja – ich bin – kein Krieger.«
»Ist schon gut«, erwiderte Mjipa. Den kürzeren Stoffstreifen band Alicia um Mjipas verletztes Bein. Dann nahm er den anderen Streifen und band ihn unter ihren Brüsten um den Oberkörper.
»So, und wie kommen wir jetzt runter?« fragte Alicia, während sie die Reste des Kilts entgegennahm.
»Sobald ich wieder ein wenig Kraft gesammelt habe, lassen wir uns an dem Aufzug an der Außenmauer runter.«
Mjipa hinkte zum Rand, wo er die zwei Träger hatte aus der Mauer ragen sehen, an denen die Rollen des Hebezeugs befestigt waren. Ein kurzes Rucken an den Seilen verriet ihm, dass die Seile unten festgemacht waren.
»Ich werde mich jetzt an einem der Seile hinunterlassen«, sagte er. »Dann ziehe ich den Korb hoch, du und der Doktor klettert rein, und ich lasse euch runter.«
»Wird das Seil – das Gewicht aushalten?« fragte Isayin, der noch immer schwer atmete.
»Wenn es ein paar hundert Kilo Ziegel tragen kann, dann kann es auch euch zwei tragen.«
»Bist du sicher, dass du dich so lange mit den Armen halten kannst?« fragte Alicia besorgt. »Das sind mindestens zwanzig bis dreißig Meter, und mit dem verletzten Bein …«
»Wer nicht wagt, gewinnt nicht. Los geht’s!«
Mjipa kletterte über den Rand, packte eines der Seile und begann sich langsam an der Außenmauer hinunterzulassen, Hand über Hand.
Auf etwa halbem Wege begannen seine Arme zu erlahmen. Ein paar Meter noch, dachte er, und ich kann mich nicht mehr halten und falle. Er hielt inne, hangelte mit dem gesunden Bein nach dem parallel verlaufenden Seil, klammerte sich, den stechenden Schmerz in seinem verwundeten Bein ignorierend, mit beiden Beinen fest und entlastete für einen Moment seine Arme. .
Als er das Gefühl hatte, dass seine Arme sich erholt hatten, setzte er den Abstieg fort. Doch schon nach wenigen Metern erlahmten die Arme erneut. Er blickte nach unten. Zwischen ihm und dem Erdboden lagen noch an die fünf Meter. Unter Aufbietung seiner letzten Kraftreserven ließ er sich zwei weitere Meter hinunter; dann ließ er los. Ein mörderischer Schmerz fuhr ihm durch das verletzte Bein, als er landete. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, er würde ohnmächtig; doch er überstand den Schwächeanfall.
Einen Augenblick lang stand er schweratmend da, bis er sich einigermaßen erholt hatte. Aus dem Innern des Turms drangen ihm das Klirren der Waffen und die Schreie der Kämpfenden ans Ohr, gedämpft durch die dicken Ziegelwände. Er löste die Sperre der Winde und begann den Korb hinaufzukurbeln. Der Apparat gab ein höllisches Quietschen von sich, was Mjipa dazu
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