Der Gefangene
Gedanke, dass Debbie sich ausgesperrt hatte und gezwungen gewesen war, das Fenster einzuschlagen, um in die Wohnung und an die Schlüssel zu gelangen. Donna klopfte. Keine Reaktion. Dann hörte sie von drinnen Musik aus einem Radio. Sie drehte den Türknauf, es war nicht abgeschlossen. Sobald sie in der Wohnung stand, war ihr klar, dass etwas nicht stimmte.
Das kleine Wohnzimmer war ein einziges Chaos - auf den Boden gefallene Sofakissen, herumliegende Kleidungsstücke. Auf die Wand zu ihrer Rechten hatte jemand mit einer rötlichen Flüssigkeit geschrieben: »Als Nächstes stirbt Jim Smith.« Donna rief Debbies Namen; keine Reaktion. Da sie schon einmal in der Wohnung gewesen war, wusste sie, wo das Schlafzimmer war. Sie ging dorthin, noch immer rufend. Das Bett war verrückt, Bezüge und Laken waren heruntergerissen worden. Plötzlich sah sie einen Fuß, dann Debbie - sie lag auf der anderen Seite des Betts auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten, nackt, blutverschmiert. Und auf ihrem Rücken stand etwas geschrieben.
Donna erstarrte, vor Entsetzen wie gelähmt. Fassungslos sah sie auf ihre Freundin hinunter und wartete darauf, dass sie zu atmen begann. Vielleicht, dachte sie, war alles nur ein Traum.
Sie wich zurück und trat in die Küche, wo der Mörder auf dem kleinen weißen Tisch eine weitere Nachricht hinterlassen hatte. Er könnte noch hier sein, dachte sie plötzlich. Sie stürmte aus der Wohnung, sprang in ihren Wagen, raste die Straße hinab und fand einen Eckladen mit einem Münztelefon, von dem aus sie Debbies Mutter anrief.
Peggy Stillwell hörte die Worte, wollte ihnen aber keinen Glauben schenken. Ihre Tochter sollte reglos auf dem Boden liegen, nackt und blutverschmiert? Sie forderte Donna auf, alles zu wiederholen, dann lief sie zu ihrem Auto. Die Batterie war leer. Halb betäubt vor Angst rannte sie ins Haus zurück und rief Charlie Carter an, ihren Exmann und Debbies Vater. Bei der Scheidung vor ein paar Jahren hatte man sich nicht eben freundschaftlich getrennt, und die beiden sprachen selten miteinander. Bei Charlie Carter nahm niemand ab. Gegenüber von Debbies Wohnung, auf der anderen Straßenseite, lebte eine Freundin namens Carol Edwards. Peggy rief sie an und sagte, es sei etwas Schreckliches passiert, sie solle bitte sofort nach ihrer Tochter sehen. Peggy wartete und wartete. Schließlich rief sie erneut bei Charlie an, und diesmal meldete er sich.
Carol Edwards rannte über die Straße, bemerkte die Scherben und die offene Wohnungstür. Sie trat ein und sah die Leiche.
Charlie Carter war ein stämmiger Maurer, der gelegentlich auch als Rausschmeißer im Coachlight arbeitete. Er sprang in seinen Pick-up und fuhr mit Vollgas zur Wohnung seiner Tochter. Unterwegs bedrängte ihn jeder schreckliche Gedanke, der einem Vater in einer solchen Situation nur kommen kann. Es war schlimmer als alles, was er sich hätte vorstellen können.
Als er sie sah, rief er zweimal ihren Namen, kniete sich dann neben sie und hob behutsam ihre Schulter, um das Gesicht sehen zu können. In ihrem Mund steckte ein blutgetränkter Waschlappen. Für ihn bestand kein Zweifel, dass seine Tochter tot war, und doch wartete er, in der Hoffnung, sie würde irgendein Lebenszeichen von sich geben. Als das nicht geschah, richtete er sich langsam auf und sah sich um. Das Bett war von der Wand weggeschoben, die Bettwäsche abgezogen worden. In dem Zimmer herrschte Chaos. Offensichtlich hatte es einen Kampf gegeben. Er ging ins Wohnzimmer und las den Satz an der Wand, dann trat er in die Küche und blickte sich um. Die Wohnung hatte sich in einen Tatort verwandelt. Charlie schob die Hände in die Hosentaschen und verließ den Raum.
Donna Johnson und Carol Edwards warteten weinend auf dem Treppenabsatz vor der Wohnungstür. Sie hörten, wie Charlie sich von seiner toten Tochter verabschiedete und sagte, wie schrecklich dies alles sei. Als er nach draußen trat, weinte auch er. »Soll ich den Notarzt rufen?«, fragte Donna.
»Nein«, erwiderte er. »Für den ist es zu spät. Benachrichtigt die Polizei.« Trotzdem kam zuerst ein Notarztwagen mit zwei Rettungssanitätern. Sie eilten die Stufen hinauf und stürmten in die Wohnung. Innerhalb von Sekunden stand einer von ihnen wieder auf dem Treppenabsatz und übergab sich.
Als Detective Dennis Smith eintraf, drängten sich draußen Streifenpolizisten, Sanitäter und Schaulustige. Selbst zwei Staatsanwälte waren da. Da Smith klar war, dass es sich möglicherweise um Mord
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