Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
möchte, dass du kein falsches Bild von mir hast, nachdem ich endlich einmal etwas Gutes in meinem Leben getan habe.«
»Also dann, ich höre, was du mir zu erzählen hast«, sagte sie.
Erst fühlte sich Jona äußerst unwohl, als er anfing, ihr in knappen, spröden Worten von den Umständen zu erzählen, die dazu geführt hatten, dass er mit Timon Zuflucht bei den Zeloten gesucht hatte. Aber als er merkte, dass sie ihre reservierte Haltung verlor und immer aufmerksamer und interessierter zuhörte, da verflog seine Unsicherheit und die Worte gingen ihm leichter über die Lippen. Und eher verschämt als stolz berichtete er ihr schließlich auch, wie es dazu gekommen war, dass man in jener Nacht ihn damit beauftragt hatte, all die Wasserschläuche an der verborgenen Quelle zu füllen. Dann erwähnte er noch, dass ihm ein Fischhändler aus Kapernaum beim Töpfer Hesed ben Elad eine Anstellung als Gehilfe verschafft habe und er sich freue, vorerst in Jerusalem bleiben zu können.
Tamar schwieg für einen langen Augenblick, als er geendet hatte. Dann sagte sie fast entschuldigend: »Jetzt bin ich doch froh, dass du darauf bestanden hast, dass ich noch ein paar Minuten bleibe und dir zuhöre.«
»Ja? Darf ich wissen, warum?«
»Nun, es ergab so wenig Sinn, dass ihr erst all die Soldaten im Lager gnadenlos umgebracht habt und dass du uns dann auf einmal laufen lässt«, antwortete sie. »Wenn du allein mich verschont hättest, wäre es leichter zu verstehen gewesen. Aber dass du auch Flavius zur Flucht verholfen hast, hat mir schon all die Zeit Kopfzerbrechen bereitet.«
»Weißt du, was aus ihm geworden ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben uns schon in der nächsten größeren Siedlung getrennt, weil es im Dorf einen Arzt gab, der seine Wunde behandeln konnte. Aber ich bin sicher, dass er lebt.«
»Gott sei gedankt!«, sagte Jona erleichtert. »Ich nehme an, er hat den Gerber gut dafür bezahlt, dass er euch die Lumpen überlassen und euch auf seinem Wagen mitgenommen hat.«
Tamar nickte und machte ein grimmiges Gesicht. »Und wie er sich dafür hat bezahlen lassen! Den letzten Denar hat er Flavius abgenommen. Und dann konnte er uns gar nicht schnell genug loswerden, nachdem ihr uns auf der Straße angehalten hattet. Ein elender Halsabschneider war dieser Gerber!«
Für einen langen Moment saßen sie schweigend auf den Treppenstufen und schauten hinunter auf das dicht gedrängte Häusermeer der Unterstadt. Jona wusste nichts mehr zu fragen oder von sich zu erzählen, wollte aber nicht, dass sie sich schon so schnell wieder trennten. Deshalb forderte er sie schnell auf, bevor sie sich erheben und davongehen konnte: »Und jetzt erzähl mir auch etwas über dich!«
Verwundert schaute sie ihn an. Dann lachte sie verlegen und winkte ab. »Ich soll von mir erzählen? Ach, da gibt es nichts Interessantes.«
»Das gibt es bestimmt!«, beharrte Jona. »Nachdem du so viel über mich erfahren hast, möchte ich wenigstens auch ein klein wenig über dich wissen. Zum Beispiel wieso du allein nach Jerusalem unterwegs warst. Wie haben das deine Eltern überhaupt zulassen können?«
»Ich habe keine Eltern mehr.«
»Oh, das tut mir Leid!«, sagte er.
»Schon gut, das konntest du ja nicht wissen.«
»Erzählst du mir dann wenigstens, warum du nach Jerusalem gereist bist?«
»Ich wollte zu meinem Onkel, bei dem ich jetzt auch wohne.« Sie zögerte kurz, strich sich eine Strähne aus der Stirn und sagte dann: »Das heißt, eigentlich ist er gar nicht mein richtiger Onkel, obwohl ich wünschte, er wäre es. Aber ich darf wenigstens Onkel zu ihm sagen. Er hat mich als sein Mündel angenommen und dafür wie für alles andere bin ich ihm sehr dankbar. Er ist Kaufmann und handelt mit Getreide, Öl und anderen Waren. Elia ist gut zu mir, fast wie ein richtiger Onkel, der um mein Wohlergehen besorgt ist.«
»Aha«, sagte Jona, der gleich mehrere Fragen dazu wusste, sich aber zurückhielt, weil er sie nicht bedrängen wollte.
Tamar atmete tief durch, als hätte sie einen Entschluss gefasst, der ihr nicht eben leicht fiel. »Ach was, ich will es dir ruhig erzählen«, sagte sie, als wüsste sie, was ihm nach ihrer rätselhaften Antwort durch den Kopf ging. »Du warst sehr offen zu mir, Jona. Deshalb will auch ich offen zu dir sein. Sag, weißt du, wer schon in den Büchern des Mose diesen Namen Tamar getragen hat?«
Jona schüttelte den Kopf. »Wenn ich es mal gewusst habe, so ist es mir längst wieder entfallen. Aber es
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