Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Ehren gegeben hat?«
»Ja, sehr sogar. Aber es bedeutet mir nicht halb so viel, wie dich jetzt endlich wiederzusehen!«
»Du solltest mir nicht schmeicheln und mich in Verlegenheit bringen«, sagte sie und senkte schnell den Blick.
»Es ist keine Schmeichelei, sondern allein das, was ich bei deinem Anblick empfinde, Tamar.«
Einen Moment lang standen sie sich schweigend gegenüber. Wie sehr wünschte er sich, ihre Hände zu nehmen und zu halten, aber er wusste, dass er sich eine solche Kühnheit nicht herausnehmen durfte.
»Wenn du wüsstest, wie oft ich in den letzten Wochen an dich gedacht habe und hoffte, dir irgendwo wieder zu begegnen. Aber diese Freude ist mir nicht vergönnt gewesen. Umso größer ist sie jetzt.«
»Auch ich freue mich, Jona.«
»Ich danke dir, dass du bei deinem Vormund so gut von mir geredet hast, sodass er mich in sein Haus eingeladen hat. Ich weiß sehr gut, was für eine Ehre er mir damit erwiesen hat.«
Sie hob wieder ihren Kopf und sah ihn an. »Ich wünschte, es hätte nicht gar so lange gedauert, aber du weißt ja, dass er auf Reisen war. Er ist ist schon am Tag nach unserer Begegnung auf dem Tempelberg mit seinen Begleitern aufgebrochen.«
»Es ist recht so, wie es gekommen ist«, versicherte er. »Geht es dir gut?«
Tamar nickte. »Besser, als ich es jemals gehabt habe. Es ist seit meiner Ankunft so vieles geschehen, wofür ich dankbar bin... und was mich mit Hoffnung erfüllt«, sagte sie.
Jona meinte, sie bei den letzten Worten leicht erröten zu sehen, als hätte sie mehr von sich preisgegeben, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. Und er hoffte inständig, dass sich das, was er in ihre Äußerung hineindeutete, auch wirklich in ihrem Herzen fand.
»Ich muss gleich wieder ins Haus zurück, sonst kommt Zippora, die Frau meines Onkels, mir nach und schaut, was ich so lange hier draußen treibe. Ich habe vorgegeben, die beiden jungen Zitronenbäume zu wässern, die ich hier habe pflanzen dürfen. Und so etwas dauert nun mal nur ein paar Augenblicke«, sagte sie mit Bedauern in der Stimme. »Gern würde ich noch länger bleiben und mit dir reden, Jona. Aber du weißt, wie schnell jemand wie ich in Verruf kommen kann.«
»Natürlich«, versicherte er. »Du hast mir schon mehr geschenkt, als ich zu hoffen wagte, als ich heute hierher kam. Aber werden wieder erst Wochen vergehen, bis ich dich das nächste Mal wiedersehe?«
»Das liegt ganz bei dir«, sagte sie leise, während sie ihren Krug nahm und ihn in das Brunnenbecken leerte.
»Wie meinst du das?«
»In drei Tagen ist Sabbat«, erinnerte sie ihn mit einem verschmitzten Lächeln. »Wir gehen am Sabbatmorgen immer in die Synagoge, die sich gleich oben am Ende der Gasse an dem schönen Platz befindet. Du musst auf deinem Weg zu uns daran vorbeigekommen sein.«
Er nickte.
»Vielleicht führt dich dein Weg an einem Sabbatmorgen ja zufällig mal dorthin...«
»Das wird er mit Sicherheit, Tamar!«, versprach er.
»Mach es gut, Jona.«
»Du auch, Tamar. Bis zum Sabbatmorgen!«
Sie schenkte ihm noch ein Lächeln, dann huschte sie auf dem Weg, den sie gekommen war, wieder davon.
Als Jona sich in dieser Nacht auf den Rückweg in die Unterstadt zu seiner kleinen, kahlen Schlafkammer im Anbau der Töpferei begab, fühlte er sich wie berauscht und als würde er auf Wolken schweben. Aber dieses Gefühl rührte nicht vom Wein her, sondern von dem Wiedersehen mit Tamar und von dem, was in ihren scheuen Worten mitgeschwungen hatte und heftigen Widerhall in seinem Herzen fand.
5
In seinen besten Gewändern begab er sich am Sabbatmorgen zur Synagoge, die Elia ben Eljasaf mit seiner Familie und seiner Dienerschaft besuchte. Er traf viel zu früh in der Oberstadt ein. Weil es einen schlechten Eindruck gemacht hätte, wenn er vor dem Bethaus bis zum allmählichen Eintreffen der Gemeinde gewartet hätte, begab er sich in eine stille Gasse und wartete dort voller Ungeduld, dass die Zeit verstrich.
Das Bethaus hatte sich schon gut gefüllt, als er schließlich im Versammlungsraum eintraf. Er wählte einen der hinteren Plätze, wählte ihn aber so, dass er dabei einen Großteil der Frauenempore im Blick hatte. Als er verstohlen nach oben schaute, bemerkte er zu seiner Freude, dass Tamar in der vordersten Reihe am hölzernen Gitter saß und zu ihm hinuntersah. Ihre Blicke begegneten sich und mit einem vorsichtigen Lächeln neigte sie kaum merklich den Kopf. Jona hatte Mühe, an diesem Morgen dem Gottesdienst zu folgen und darauf zu
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