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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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achten, was aus der Schriftrolle vorgetragen wurde und was der Mann sagte, der die Torastelle auslegte.
    Nach dem Gottesdienst ließ er sich Zeit, ins Freie zu kommen. Er hoffte, ungefähr im selben Moment am Portal der Synagoge zu sein, wenn Tamar mit der Frau, den Töchtern und den Mägden ihres Vormundes die Treppe von der Empore herunterkam.
    Doch der Erste, der ihm begegnete, war Elia, der ihn schon längst bemerkt hatte. »Sieh an, der junge Jona ben Joram! Wie hat es denn dich in diese Synagoge verschlagen?«, begrüßte er ihn mit einem wissenden Lächeln, das verriet, dass er gar keine Antwort auf seine scheinbar überraschte Frage benötigte.
    Jona schoss das Blut ins Gesicht. »Man hat mir erzählt, dass hier besonders gelehrte Männer die Schrift auslegen«, erwiderte er. Etwas Besseres fiel ihm auf die Schnelle nicht ein.
    Elia schmunzelte. »Na, mir scheint, dass unsere Gemeinde noch ganz andere Vorzüge aufzuweisen hat als gelehrte Schriftenausleger«, sagte er hintersinnig und fragte dann mit gutmütigem Spott: »Aber da dir offenbar so viel am mosaischen Gesetz liegt, bist du dir auch sicher, dass der Weg von deiner Unterkunft hierher und wieder zurück nicht das erlaubte Maß von neunhundert Schritten übersteigt?«
    Jona hielt dem Blick seiner fröhlich blitzenden Augen stand. »Wenn ich mich nicht sehr verzählt habe, kommt es gerade so hin«, beteuerte er, dabei hatte er in Wirklichkeit überhaupt nicht darauf geachtet.
    »Dann können wir beide ja beruhigt sein«, sagte Elia augenzwinkernd. »Ich nehme an, ich werde dich zukünftig öfter in unserem Bethaus sehen, nicht wahr?«
    »Das kann gut möglich sein«, sagte Jona verlegen und bemerkte Tamar, die mit den anderen Frauen aus der Synagoge kam, sich aber in der Menge einige Schritte hinter ihnen hielt und so tat, als würde sie dem Klatsch der umstehenden Frauen lauschen. Doch ihre Blicke gingen immer wieder zu ihm herüber.
    »Und ich würde ein ganzes Fass meines besten Olivenöls darauf verwetten, dass du ein treuer Anhänger unserer Gemeinde wirst!«, entgegnete Elia lachend. »Hoffen wir nur, dass deine Besuche auch die erhofften Früchte tragen, Jona!« Er zwinkerte ihm zu, schlug ihm auf die Schulter und wünschte ihm eine gute Woche. Dann begab er sich zu seiner Familie und Dienerschaft, um Augenblicke später mit ihnen den Heimweg anzutreten.
    Jona fing noch einen letzten Blick und ein vielversprechendes Lächeln von Tamar auf, bevor sie mit den anderen um die Ecke in die Gasse bog.
    Elia ben Eljasaf hätte seine Wette natürlich gewonnen, denn in den folgenden Wochen verpasste Jona nicht einen Gottesdienst in dieser Synagoge. Manchmal blieb Elia hinterher einen Moment bei ihm stehen und erkundigte sich nach seinem Wohlbefinden, an anderen Sabbatmorgen ergab sich diese Gelegenheit nicht, weil ihn Gemeindemitglieder in ein Gespräch verwickelten. Aber ihm genügte es, Tamar zu sehen und verstohlene Blicke mit ihr zu wechseln. Auf diese kostbaren Momente freute er sich die ganze Woche, während er in der zunehmenden Sommerhitze seiner schweißtreibenden Arbeit an den Brennöfen nachging, und in den Nächten, wenn er lange wach lag und sich sorgenvoll den Kopf darüber zerbrach, wie es einem einfachen Töpfergehilfen bloß gelingen könnte, eines Tages von Elia ben Eljasaf die Erlaubnis zu erhalten, Tamar zu heiraten.
    Es war in der Woche vor dem Laubhüttenfest 51 , als Elia ihn nach dem Gottesdienst beiseite nahm. »Wir haben etwas zu bereden, Jona«, sagte er ernst.
    Jona schluckte schwer, befürchtete er doch eine Zurechtweisung, weil dem Kaufmann sein ständiges Erscheinen in ihrer Syanagoge auf Dauer nun wohl doch nicht gefiel. Aber schon dessen nächste Worte vertrieben diese Sorge.
    »Ich habe mir erlaubt, einige Erkundigungen über dich bei Hesed ben Elad einzuholen, und man hat mir nur Gutes über dich berichtet«, sagte Elia wohlgefällig. »Du bist zuverlässig, tüchtig, aufmerksam bei der Arbeit und hast einen wachen Geist, dem das Lernen offenbar nicht schwer fällt.«
    »Ich bemühe mich nach Kräften«, sagte Jona mit der gebotenen Bescheidenheit angesichts eines solchen Lobes.
    »Sag mir, wie gut verstehst du dich auf das Lesen, Schreiben und Rechnen?«, wollte der Kaufmann nun wissen.
    »Ich weiß mit Griffel und Schreibrohr umzugehen und das Rechnen hat mir nie Schwierigkeiten bereitet. Mein Vater und der Lehrer in der Synagoge haben mir eine gute Ausbildung zuteil werden lassen«, antwortete Jona voller

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