Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
eine blutbefleckte Schürze umgebunden trug, war seinen jammervollen Klagen nach ein Schächter 55 , der sich des unverzeihlichen Vergehens schuldig gemacht hatte, Schlachtmesser mit schartiger Klinge für sein wichtiges rituelles Handwerk benutzt zu haben. Dem anderen, einem kleinwüchsigen Getreidehändler mit einem spitzen mausartigen Gesicht, wurde vorgeworfen, seine Kunden mit falsch geeichten Gewichten betrogen zu haben. Und der dritte, eine grobschlächtige, narbengesichtige Gestalt mit Oberarmen wie dicke Melonen, hatte nach einer durchzechten Nacht den Stand eines Straßenhändlers umgestoßen und auf dessen Geschrei hin den Geschädigten auch noch mit seinen Fäusten traktiert und blutig geprügelt.
Jona wartete gegen jede Vernunft darauf, dass man seinen Herrn über seine Inhaftierung unterrichtet hatte und Elia jemanden schicken würde, um ihn aus dem Gefängnis zu führen.
Doch die Stunden vergingen, ohne dass sich seine Hoffnung erfüllte.
Der Morgen war schon dem späten Vormittag gewichen, als die drei Mitgefangenen sich wohl als Ablenkung von der Eintönigkeit und der bedrückenden Sorge, wie ihr Verfahren morgen vor Gericht bloß ausgehen mochte, über allerlei Belanglosigkeiten zu unterhalten begannen. Und irgendwann fielen auf einmal auch die Worte »Jesus« und »Nazoräer«.
Jona folgte dem Gespräch, ohne sich jedoch anmerken zu lassen, dass er ihnen aufmerksam zuhörte. Doch was die drei Männer über Jesus von sich gaben, gefiel ihm immer weniger, je länger ihr Gespräch dauerte. Nicht nur dass sie sich lustig über ihn machten und ihn einen Spinner und einen Verrückten nannten, sondern sie äußerten immer hässlichere Dinge über ihn.
Als der Schächter Jesus bezichtigte, ein abgefeimter Scharlatan zu sein, der bei seinen angeblichen Wundertaten doch nur mit altbekannten Gauklertricks und bezahlten Mitwissern arbeite und eigentlich unverzüglich gesteinigt gehöre, da konnte er nicht länger an sich halten.
»Seid ihr dem Nazoräer denn schon einmal begegnet und habt eine seiner Schriftauslegungen gehört?«, mischte Jona sich nun ein und bemühte sich, seinen Ärger zu bezähmen.
Verwundert blickten die drei Männer zu ihm herüber. »Nein. Du etwa? Kommst du etwa aus Galiläa, du Frischling?«, fragte der Schächter, und die anderen lachten, als hätte er eine besonders geistreiche Bemerkung von sich gegeben.
»Nein, Galiläer bin ich nicht. Aber Jesus dem Nazoräer bin ich sehr wohl schon begegnet!«, antwortete Jona grimmig und achtete nicht auf die Gestalt, die Augenblicke zuvor das Gefängnis betreten hatte und unweit der Gittertür mit dem Wachhabenden redete. »Und zwar nicht nur einmal, sondern mehrmals. Ich habe ihn in der Synagoge und auf freiem Feld reden gehört und auch gesehen, wie er Wunder vollbracht hat. Und wenn ihr dagegen Gerüchte nachplappert und sagt, er wäre ein Verrückter und ein Scharlatan, dann beweist das nur, dass ihr nicht wisst, wovon ihr redet!«
»Schau an, da ist uns doch wahrlich ein Jünger des Nazoräers ins Nest geflogen!«, höhnte der Trunkenbold.
»Ich bin kein Jünger von Jesus, aber ich habe einen guten Freund, der zu seiner Anhängerschaft gehört und der mir vieles über seinen Rabbi erzählt hat!«, erklärte Jona, meinte er doch, dass seinen Worten so mehr Gewicht zukam.
»Dann klär uns doch mal über die Wundertaten dieses spinnerten Wanderpredigers auf, der Saufgelage mit Dirnen abhält!«, forderte ihn der betrügerische Händler mit triefendem Spott in der Stimme auf. »Vielleicht können wir von einem gerade erst aus dem Ei geschlüpften Klugscheißer ja noch was lernen! Das wäre nun wirklich ein Wunder, das mich beeindrucken würde!«
Sie lachten.
»Den Teufel werde ich tun!«, stieß Jona grimmig hervor und bereute schon, sich überhaupt eingemischt zu haben. »Denkt doch, was ihr wollt!«
In dem Moment verdunkelte sich das Licht, das von einer Öllampe aus dem Vorraum zu ihnen durch die Gittertür fiel, und eine befehlsgewohnte Stimme rief in den Raum hinein: »Du da!.. Komm her!«
Alle wandten sie ihren Kopf erschrocken der Gittertür zu. Doch dort stand nicht der Wachhabende oder einer seiner Wärter, wie sie im ersten Moment unwillkürlich angenommen hatten, sondern ein Mann in Gewändern, die an den Säumen reich mit Quasten und Ornamenten verziert waren und die vermuten ließen, dass er der höheren Priesterschaft angehörte.
Der Mann wies auf Jona. »Ja, du da! Der mir am nächsten sitzt! Komm her!«
Jona
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