Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
und streckte die Arme aus, als wollte er die Menge mit liebender, brüderlicher Geste um sich schließen. »Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen!… Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben!… Selig, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden!« Nach jeder Seligpreisung ließ er eine lange Pause verstreichen, damit die Bedeutung seiner Worte tief in sie eindrang und in ihnen Wurzeln der Hoffnung schlug. »Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen!… Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!… Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden!… Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Reich im Himmel!… Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch wider euch reden um meinetwillen!… Freut euch und frohlockt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln. Denn ebenso haben sie die Propheten vor euch verfolgt!… Ihr seid das Salz der Erde!… Ihr seid das Licht der Welt!… So leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel verherrlichen!« 20
Nie hatte Jona etwas gehört, das ihn tiefer berührt und aufgewühlt hätte als diese schlichten, zugleich aber doch unvergleichlich ausdrucksstarken, bildhaften und bedeutungsvollen Worte. Unauslöschlich bis an sein Lebensende schrieben sie sich in sein Gedächtnis.
Zwei Tage darauf teilte Jesus seinen Anhängern mit, dass es nun Zeit sei, nach Jerusalem aufzubrechen, da dort noch so einiges zu tun und zu erledigen sei, um mit ihnen das Passah-Fest feiern zu können. Dabei deutete er an, dass er diesen hohen Feiertag nicht nach traditionellem Brauch zu feiern gedachte, sondern auf eine ganz neue Weise, die sein Geschenk an sie sein sollte.
Judas Iskariot und auch einige andere maulten, als sie das hörten. »Will er jetzt auch noch neue Festtagssitten einführen? Warum, in Mose Namen, ruft er nicht endlich zum Kampf gegen die Römer auf?«, beklagte er sich. »Das ganze Land würde sich erheben, wenn er die Sache richtig anpackt! Es könnte noch immer gelingen! Noch ist es nicht zu spät dafür!«
Im Gegensatz zu Judas, der sich dennoch mit ihnen auf den Weg nach Jerusalem machte, verließen viele andere den Nazoräer. Je näher sie Jerusalem kamen, desto mehr schrumpfte ihre Gruppe zusammen. Schließlich blieben nur noch der Kreis der zwölf erwählten Jünger, einige Frauen, darunter auch die Mutter von Jesus, und einige andere Männer. Letztere machten sich in Betanien aus dem Staub, als die Mauern Jerusalems schon zum Greifen nahe waren und sie meinten, die bedrohliche Macht der feindlich gesinnten Pharisäer und hohen Priesterschaft förmlich spüren zu können.
Auch Jona zog es nun vor, von hier aus seiner eigenen Wege zu gehen, und zwar aus zweierlei Gründen. Zum einen hatte er in der vergangenen Woche keine Gelegenheit gefunden, den Rest seiner Papyrusblätter zu füllen, weil die Überschaubarkeit ihrer kleinen Gruppe jede Absonderung augenfällig gemacht und vor allem Timon zu Fragen veranlasst hätte. Aber die Blätter mussten mit Notizen gefüllt sein, wenn er Kaiphas wieder unter die Augen trat. Dies musste er schnell irgendwo nachholen, wo er ungestört einige Stunden lang schreiben konnte. Und zum anderen fehlte ihm auch der Mut, mit Jesus in Jerusalem einzuziehen.
Gegenüber Timon begründete er seinen Weggang damit, dass er sich erst einmal vorsichtig in der Stadt umhören und umsehen wollte, ob wohl Berechja noch in Jerusalem weilte. Und weil das bei den vielen Pilgern, die in die Stadt strömten, eine doch recht lahme Ausrede war, gab er auch noch beschämt zu, dass es ihm lieber sei, nicht im Gefolge von Jesus gesehen zu werden, wenn er sich in die Höhle des Löwen wagte.
Timon zeigte dafür Verständnis. »Bis zum Passah-Fest sind es ja noch einige Tage hin. Und wie ich gehört habe, werden wir die meisten Nächte nicht hier in Betanien, sondern in einem Olivenhain östlich der Stadtmauern verbringen. Johannes hat nämlich einen Verwandten in der Stadt, dem dieser Olivenhain gehört und der uns die Erlaubnis dazu gegeben hat. Natürlich muss das unter uns bleiben.«
Jona nickte. Diese Information würde er Kaiphas nicht ausliefern! »Hat dieser Olivenhain auch einen Namen?«
»Der Olivenhain liegt auf einem Berg, weshalb man ihn auch Ölberg nennt. Aber sein richtiger Name ist Gethsemane und er liegt
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