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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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auf der anderen Seite des Baches Kidron.«
    »Den Namen habe ich schon einmal gehört«, sagte Jona, der sich sofort an seine erste Einladung bei Elia ben Eljasaf erinnerte. »Er wird bestimmt leicht zu finden sein.«
    »Wo wir einen Raum finden, um das Passah-Fest zu feiern, weiß ich noch nicht. Aber vielleicht kann ich es dir schon sagen, wenn wir uns in den nächsten Tagen in Jerusalem sehen«, fuhr Timon fort. »Und wenn du meinst, es wagen zu können, kannst du dich ja morgen auch im Tempel einfinden. Jesus will morgen früh nämlich als Erstes dort hinauf.«
    »Ich werde versuchen, auch da zu sein«, versprach Jona. »Aber wenn wir uns dennoch auf dem Tempelberg verpassen sollten, hinterlass in der Herberge Zum goldenen Krug eine Nachricht für mich. Ich habe dir ja beschrieben, wo du diese Absteige im Töpferviertel der Unterstadt findest. Die Herberge ist zwar alles andere als golden, und ich weiß nicht einmal, ob ich dort überhaupt eine Schlafstelle finde. Aber ich werde dem Wirt ein paar Münzen zustecken, damit er mir zumindest deine Nachrichten ausrichtet.«
    »Ja, so machen wir es. Und pass gut auf dich auf, damit du Berechja nicht in die Arme läufst!«, schärfte Timon ihm ein, umarmte ihn wie einen Bruder und ließ ihn dann ziehen.
    Jona ging schweren Herzens und mit der schrecklichen Vorahnung, dass sich das Unheil nicht mehr aufhalten ließ - und möglicherweise auch ihn mit verschlingen würde.

6
    Der Morgen war empfindlich kalt und ein böiger Wind wehte über den Tempelberg. Der aufsteigende Rauch von verbrannten Opfertieren verband sich mit den Weihrauchschwaden zu grauschwarzen Wolken, die der Wind wie eine Herde hirtenloser Schafe mal hierhin, mal dorthin trieb.
    Unruhig ging Jona auf der Treppenanlage vor dem Ostportal, dem Sushantor, auf und ab. Immer wieder blickte er angestrengt ins Kidrontal hinunter und zum Ölberg hinüber, hinter dem die Siedlungen Betfage und das gut zwei Meilen entfernte Betanien lagen. Und von dort musste Jesus mit seiner arg geschrumpften Anhängerschaft kommen.
    Er zog seinen Mantel enger zu, denn ihn fröstelte - doch nicht allein wegen der durchdringenden Morgenfrische, sondern weil ihn die Ungewissheit quälte, welche Reaktionen das Erscheinen des Nazoräers auf dem Tempelberg auslösen würde. Er hoffte inständig, seinen Bericht damit abschließen zu können, dass Jesus sich mit seinem Besuch des Heiligtums letztlich doch als gesetzestreuer, frommer Jude erwiesen hatte. Bezeugte er denn nicht durch seine Pilgerfahrt und sein Erscheinen im Tempel, dass er sich dem Opferkult und damit der herrschenden Priesterschaft wie jeder andere Jude unterwarf?
    Jona hatte sich am gestrigen Abend nach seiner Trennung von Timon und den anderen fern von allen Pilgerströmen auf einem Feld in den Schutz einer Dornenhecke gesetzt und die Seligpreisungen niedergeschrieben. Die Nacht hatte er in einem der großen Zeltlager vor der Stadt verbracht, weil ihm das sicherer erschienen war. An diesem Morgen hatte ihn sein erster Gang zur Herberge Zum goldenen Krug geführt, die er natürlich bis auf den letzten Platz belegt vorgefunden hatte. Der Wirt hatte seine Münzen gern genommen und versichert, jede Nachricht für ihn auf einer Wachstafel festzuhalten.
    Wenn auch der geballte Strom der Pilger erst etwas später zum Tempel wogen würde, so befanden sich doch auch zu dieser frühen Morgenstunde schon zahlreiche Wallfahrer auf dem Weg zum Heiligtum. Auch von Osten zogen sie heran, kamen auf der Straße um den Ölberg herum und stiegen aus dem tiefen Einschnitt des Kidrontals zur Tempelanlage herauf.
    Plötzlich veränderten sich die Geräusche, die von unten zu Jona heraufdrangen. Die Leute blieben stehen, sahen sich um und begannen eine Gasse zu bilden. Einige liefen zu nahe stehenden Bäumen, schlugen Zweige von ihnen ab und warfen sie auf den Weg, während andere dasselbe mit Strohbündeln taten. Es waren fromme Juden, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, bei jedem der großen Feste die ankommenden Pilger bei ihrem Einzug vor der Stadt zu begrüßen und vor ihnen Streu und Stroh auf den Weg zu legen 60 . Diese Willkommensmänner stimmten nun besonders laut den 118. Psalm an, mit dessen Rezitation sie alle Pilger begrüßten: »Herr, hilf doch!… O Herr, lass es wohl gelingen! Gesegnet sei der, der da kommt im Namen des Herrn!… Wir segnen euch, vom Haus des Herrn her.« 61
    Der Jubel wurde lauter, als im nächsten Augenblick ein Mann dort unten auftauchte, der auf einem

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