Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Wespennest...!«
Timon gab ein freudloses Auflachen von sich. »Du kennst Jesus nicht, wenn du glaubst, wir könnten ihn zu irgendetwas überreden! Es ist, als folge er einem fest gefügten Plan, von dem nur er Kenntnis hat und dem er wie unter einem inneren Zwang folgen muss. Und er sagt ja auch, das Schriftwort müsse sich erfüllen. Nein, er wird nach Jerusalem gehen, das steht fest. Egal wie viele von uns ihm folgen.«
»Und was wirst du tun, Timon?«, fragte Jona. »Wirst du zurückbleiben oder ihm folgen?«
Timon starrte in seinen Becher, als erhoffte er sich daraus die Antwort. »Wie kann ich ihn verlassen?«, fragte er schließlich gequält. »Denn es stimmt, was Petrus einmal gesagt hat, als sich viele von Jesus abgewandt hatten und Jesus uns fragte, ob auch wir zu gehen gedächten. Da hat Petrus ihm geantwortet: ›Herr, zu wem sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens! Und wir haben erkannt, dass du der Heilige Gottes bist!‹ 18 Und darauf hat Jesus etwas ganz Seltsames gesagt, nämlich: ›Habe ich nicht euch, die zwölf, erwählt? Und einer von euch ist der Teufel.‹ Das war natürlich wie ein Kübel eisiges Bergwasser und wir waren alle wie erstarrt. Jesus hält einen von uns für den Teufel. Verrückt, nicht wahr?«
Jona fuhr ein Schauer bis ins Mark, musste er doch sofort daran denken, was Kaiphas ihm gegenüber angedeutet hatte, dass es nämlich im Kreis der Jünger einen Verräter gab, der in seinen Diensten stand und auf den ebenso ein Schandlohn von dreißig Silberstücken wartete wie auf ihn. Aber wie konnte Jesus davon wissen? Und wenn dem wirklich so war, wieso hatte der Nazoräer den Verräter in seiner Mitte nicht längst entlarvt und davongejagt?
»Aber nicht, dass du denkst, bei uns hingen nur trübe Wolken!«, fuhr Timon schnell fort. »Es gibt auch viele wunderbare Stunden mit Jesus, und du wirst staunen, wenn ich dir von seinen Wundern berichte, die wir miterlebt haben. Auch hat er uns ein schönes Gebet gelehrt, und das geht so: ›Vater, geheiligt werde dein Name. Es komme dein Reich. Unser Brot für den Tag gib uns täglich. Und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir vergeben jedem, der unser Schuldner ist. Und führe uns nicht in Versuchung.‹ 19 Schön, nicht wahr? Es ist kurz, aber es steckt irgendwie alles drin, was wirklich wichtig ist.« Dann begann er, von den Wundertaten zu erzählen, deren Zeugen sie geworden waren. Und kaum hatte er davon begonnen, kehrte auch wieder die alte Begeisterung für die Nachfolge des Rabbi in seine Stimme zurück.
Jona lauschte und war dankbar, nun endlich Dinge zu hören, die er bedenkenlos notieren und dem Hohenpriester vorlegen konnte, ohne von dem Gefühl erstickt zu werden, abscheulichen Verrat begangen zu haben.
Da die Nächte noch zu kühl waren, um sie auf dem Flachdach zu verbringen, schliefen sie alle im Wohnraum von Timons Verwandten. Jona wartete, bis er ganz sicher war, dass alle in einen tiefen Schlaf gefallen waren. Dann nahm er seinen Beutel, schlich aus dem Haus und stieg behutsam zum Dach hoch. Dort wickelte er Papyrus und Schreibsachen aus dem alten Gewand, in dem Hasufa alles verborgen hatte, und begann zu schreiben. Und wenn er auch all das verschwieg, was er an ungeheuerlichen Äußerungen des Nazoräers gehört hatte, so fühlte er sich dennoch als verachtungswürdiger Verräter.
5
In den nächsten Tagen zog Jona mit Jesus und seiner Anhängerschaft, die aus einigen dutzend Männern und Frauen bestand und die vor über einem Jahr entschieden größer gewesen war, durch das Land. Er achtete weiterhin darauf, dem Nazoräer nicht allzu nahe zu kommen, was meist leicht zu bewerkstelligen war, weil die Leute auf den oftmals schmalen Feldwegen und Pfaden eine lange Kolonne bildeten, an deren Ende er meist zu finden war.
In dieser Zeit hörte er eine ganze Reihe von Predigten und Schriftauslegungen und erlebte auch mehrere unglaubliche Heilungen. Doch ein Erlebnis setzte sich besonders nachhaltig in seiner Erinnerung fest. Und das waren die bewegenden Worte, die Jesus am Fuß eines Berges sagte, nachdem er sich vorher auf dessen Spitze zum stillen Gebet zurückgezogen hatte.
Noch einmal waren die Menschen von nah und fern herbeigeströmt, um ihn reden zu hören. Wie üblich waren es in der Mehrzahl einfache Leute. Und ihre Mühe sollte sich als lohnend herausstellen, gab er ihnen doch eine ganz besondere Hoffnung mit auf den Heimweg.
»Selig ihr Armen, denn euer ist das Reich Gottes!«, begrüßte er sie
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