Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Nazoräers! Ausgerechnet Judas Iskariot, der doch stets einem bewaffneten Kampf gegen die Römer das Wort geredet hatte, war der Unbekannte, der seine Seele für dreißig Silberlinge an Kaiphas verkauft hatte! Und Jesus hatte es wahrhaftig gewusst, ja den Verrat sogar bei seinem seltsamen Passah-Mahl noch vorhergesagt!
Dem Jünger wich das Blut aus dem Gesicht, als er Jona erblickte. Sofort wandte er den Kopf ab, als schämte er sich seines Verrats, und dann war er auch schon an ihnen vorbei.
Augenblicke später stieß Meschellimot Jona durch die Hintertür aus dem Haus und rief einige der bewaffneten Männer zu sich, die sich um das Kohlenbecken drängten.
»Er soll zur Burg Antonia gebracht und dort eingekerkert werden!«, teilte er einem der Schergen mit, der wohl über die anderen das Sagen hatte, und wiederholte, welch schwere Anschuldigung angeblich gegen ihn erhoben und bewiesen worden war. »Du haftest mir mit deinem Leben dafür, dass er euch nicht entkommt und alles so getan wird, wie ich es dir aufgetragen habe! Beeilt euch aber, denn auf euch wartet heute Nacht noch andere Arbeit! Also schafft den Verbrecher eiligst auf die Burg und kommt sofort zurück!«
ACHTER TEIL
Kreuze vor der Stadt
1
D er Innenhof der Römerfestung Antonia lag im Licht zahlloser Fackeln und großer Pechfeuer, die in eisernen Gefäßen brannten und auf schweren Dreibeinen standen. Auch auf den Türmen loderten Feuer in den Himmel. Es war so hell auf dem Platz, als wollten die Römer die Nacht zum Tag machen. Ganze Abteilungen von Legionären hielten sich auf dem Hof bereit, als rechneten ihre Befehlshaber damit, jeden Moment von Pontius Pilatus den Auftrag zum Ausrücken zu erhalten, um einen Aufruhr in der Stadt niederzuschlagen. Jeder wusste, wie gereizt die Stimmung besonders an einem Fest wie dem Passah unter der Bevölkerung und den frommen Pilgern in der überfüllten Stadt war. Oft genug hatte es an solchen Tagen in Jerusalem spontane Menschenaufläufe und gewalttätige Unruhen gegeben, gegen die der Statthalter mit unnachgiebiger Härte vorgegangen war.
Wie in Trance folgte Jona den Schergen des Kaiphas über den Festungshof. »Wartet hier mit ihm!«, befahl der Wortführer seiner Bewacher und ging zu einem Centurio hinüber, um ihm die Überstellung eines Gefangenen zu melden und Anweisungen zu erbitten. Unterwürfig wartete er dessen Befehle ab und kam dann wieder zurück.
»Dort geht es in den Kerker hinunter!« Er wies quer über den Platz auf einen Eingang mit einem hohen Rundbogen, der von einem schweren Gitter verschlossen und von einem Soldaten bewacht wurde.
Der Anführer der Schergen redete kurz mit dem Wachsoldaten. Dieser warf Jona nicht einmal einen flüchtigen Blick zu, als wäre er längst daran gewöhnt, dass Gefangene in den Kerker der Burg gebracht wurden. Er schloss das Gitter auf und rief in den Gang hinein nach einem anderen Wachsoldaten, der auch sogleich erschien.
Der Wachsoldat verzog höhnisch das Gesicht. »Noch so ein Rebell? Na, da ist er bei uns ja richtig. Wir haben schon eine ganze Menge von diesem Pack da unten in den Zellen! Und dabei hat das verdammte Judenfest doch noch nicht einmal begonnen!«, sagte er abfällig, packte Jonas Arm und stieß ihn vor sich die Treppe hinunter.
Jona stolperte den rund gewölbten steinernen Gang hinunter. Kalte Dunkelheit umfing ihn. Nur von unten drang ihm der Schein eines flackernden Lichtes entgegen, begleitet von einem Ekel erregenden, stechenden Gestank, der ihm eine Ahnung davon gab, welch ein verpesteter Kerker in der Tiefe der Gewölbe auf ihn wartete.
Nach mehreren dutzend Stufen gelangten sie zu einem großen Vorraum, der gute zehn Schritte auf allen Seiten maß, im gelblichen Schein zweier Pechfakeln lag und von dem aus mehrere schwere, eisenbeschlagene Bohlentüren abgingen. Die größte dieser Türen stand offen und gab den Blick in einen Raum frei, bei dem es sich wohl um die Wachstube handelte. Denn dort stand ein großer Tisch mit mehreren Stühlen, von denen einer ein mit einem Polster versehener Scherensessel war. An den Wänden hingen in hölzernen Aufhängungen zahlreiche Waffen wie Schwerter, Lanzen, kurzstielige Streitäxte und Schilde. Auch mehrere Peitschen lagen griffbereit. Einige hatten Knoten in den Riemen, die mit scharfen Eisendornen gespickt waren. Drei Soldaten saßen am Tisch und würfelten. Sie schauten nur kurz auf und grinsten ihrem Kameraden zu.
»Neue Kundschaft?«, rief einer ihm zu. »Was für ein Pech für
Weitere Kostenlose Bücher