Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
keinen Blick.
»Da sollen wir runter?«, stieß er ungläubig hervor. »Allmächtiger, ich bin doch keine Bergkatze, die von Klippe zu Klippe springen und am nackten Fels kleben kann!«
»Von hier oben sieht es schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist«, versicherte Timon betont munter.
»Es war mir wirklich eine Freude, deine Bekanntschaft gemacht zu haben, Timon ben Talmai«, murmelte Jona. »Nur hätte ich nicht gedacht, dass ich schon so schnell mit meinem Leben abschließen muss, als ich deiner besonderen Fluchtroute zugestimmt habe!«
»Ach was, das schaffst du doch mit links! Du hast Mut und lässt dich so leicht nicht einschüchtern, das hast du in den letzten Tagen mehr als einmal bewiesen!«, sagte Timon. »Vermeide es, in die Tiefe zu blicken, stützte dich immer mit einer Hand ab und achte nur auf deinen nächsten Schritt, dann hast du nichts zu befürchten.«
Die körperliche Müdigkeit und geistige Benommenheit der letzten Stunden waren mit einem Mal wie weggefegt, als Jona seinem Gefährten auf dem schmalen, sich windenden Pfad abwärts folgte. Sein Herz raste, während er sich darauf konzentrierte, nicht in die Tiefe zu blicken und seinen Fuß stets dort hinzusetzen, wo Timon ihn vor ihm auf den nackten Fels platziert hatte.
Auf halber Strecke abwärts gerieten sie an eine scharfe Windung, die um eine Felsnase herumführte. Timon ging in die Hocke, hielt sich an einer Felskante fest und setzte den linken Fuß auf eine vorspringende Felskante. Als er den rechten Fuß nachziehen und um die steinerne Nadel herumgehen wollte, riss der Riemen seiner linken Sandale - und sein Fuß verlor augenblicklich den Halt.
Jona, der ebenfalls in die Hocke gegangen war und in höchster Anspannung über ihm kauerte, sah, wie der Riemen riss, und reagierte instinktiv. Seine Hand schoss vor und umklammerte Timons rechtes Handgelenk. Hätte er auch nur eine Sekunde gezögert, seine Hand hätte ins Leere gegriffen.
Timon stieß einen entsetzten Schrei aus, als er den Boden unter den Füßen verlor. Er rutschte von der Felskante und hing für einen schrecklich langen, angsterfüllten Augenblick mit beiden Beinen über dem Abgrund.
»Jona!«, gellte er in höchster Not, während seine Füße verzweifelt nach Halt suchten.
»Ich habe dich!«, schrie Jona zurück und legte all seine Kraft in den eisernen Griff seiner Hand. Ein scharfer Schmerz fuhr ihm durch die Muskeln bis hoch in die Schulter. Gleichzeitig durchzuckte ihn der Gedanke, dass er ihn gleich loslassen musste, um nicht mit Timon in die Tiefe gerissen zu werden, wenn sein Gefährte nicht rasch wieder Fuß fasste. Denn länger als einige wenige Sekunden vermochte er ihn in dieser unnatürlichen, gebeugten Haltung nicht vor dem Absturz zu bewahren.
Timons freie Hand krallte sich in eine Spalte. Dann fanden auch seine Füße wieder festen Untergrund und er zog sich mit Jonas Hilfe auf den Felssteig zurück.
Jona sank mit dem Rücken gegen die Felswand, hielt jedoch noch immer Timons Handgelenk fest.
»Du kannst jetzt loslassen«, sagte Timon schließlich mit zitternder Stimme.
Jona zog seine Hand zurück und schluckte heftig. Er war nicht fähig, auch nur ein Wort herauszubringen. Mit geschlossenen Augen kauerte er auf dem schmalen Pfad und wartete, dass sich sein Herzschlag beruhigte und sich das Gefühl der Übelkeit verflüchtigte.
»Du hast mir das Leben gerettet«, sagte Timon schließlich.
»Ja, sah mir auch danach aus«, murmelte Jona und atmete tief durch. Die Worte bedeuteten ihm nichts in diesem Moment. Das Einzige, was ihn beschäftigte, war die Angst, es nicht lebend die Klippen hinunter zu schaffen.
»Vielleicht hätte ich doch besser den Umweg über den etwas breiteren Pfad nehmen sollen, den die Leute aus En-Gedi benutzen, wenn sie mit Maultieren über die Berge müssen«, sagte Timon leise.
Jona stöhnte gequält auf. »Was? Es gibt noch einen sicheren Pfad dort hinunter? Und das sagst du mir erst jetzt?«
»Tut mir Leid, aber ich hatte diesen Felsensteig nicht so gefährlich in Erinnerung, wohl weil ich mit meinem Vater hier von unten nach oben hochgeklettert bin«, sagte Timon zerknirscht. »Und um zum anderen Abstieg zu gelangen, hätten wir noch...«
»Vergiss es!«, fiel Jona ihm wütend ins Wort. »Alles Hätte, Wenn und Aber hilft uns jetzt nicht eine verdammte Ellenlänge weiter! Zurück nach oben ist es genauso weit wie nach unten! Sehen wir also zu, dass wir lebend hinunterkommen!«
Timon hielt es für ratsamer, ihn nicht
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