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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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passierten die Grabstelle mit einigem Abstand. Sie waren viel zu müde und ihr Mund zu ausgetrocknet, um das Verlangen nach einem Gespräch zu haben. Die Sonne stach auf sie herab, und sie waren froh, dass sie sich noch immer auf den Beinen hielten und nicht der Versuchung nachgaben, sich irgendwo in den Schatten einer Höhle oder eines Felsvorsprungs zu flüchten und sich dort willenlos zu Boden fallen zu lassen.
    Die sie umgebende Trostlosigkeit, in der es scheinbar kein Leben gab, zehrte ebenso an Jonas Kräften wie die Hitze und der Durst. Ihm war, als würden die Gedanken langsam in ihm absterben und sich nur noch schwerfällig von einer Wahrnehmung zur nächsten bewegen, etwa dass das Gestein jetzt häufig von schwärzlicher Farbe war und größtenteils aus Horn- und Feuerstein bestand. Und für den Gedankengang, dass der Boden zahlreiche Löcher aufwies, die vermutlich in die unterirdischen Höhlen von Erdmäusen führten, brauchte er eine geraume Weile, als wäre sein Gehirn ebenso erschöpft und ausgedörrt wie der Rest seines Körpers und daher nur noch sehr stockend in der Lage, Eindrücke zu verarbeiten.
    Sie folgten einer schmalen und recht steil ansteigenden Rinne, die auf den Sattel zwischen zwei weit gestreckten Hügeln mit abgeflachten Kuppen führte. Der Hohlweg war mit lockerem Sand gefüllt, sodass es schwierig war, festen Tritt zu finden.
    Plötzlich blieb Timon vor ihm stehen.
    Jona, der ihm in dem schmalen Hohlweg mit zu Boden gerichtetem Blick gefolgt war, stieß fast mit ihm zusammen. »Was ist? Geht es nicht weiter?«
    »Warum hebst du nicht einfach mal den Kopf!«, forderte Timon ihn auf, und in seiner Stimme schwang eine Spur Genugtuung mit. »Ich denke, der Blick lohnt sich... Also genieß das kleine Wunder, um das du vor ein paar Stunden gebeten hast! Denn das da unten ist das Tote Meer 27 !«
    Jona zwängte sich neben ihn. Sie standen auf dem Sattel zwischen den beiden Hügeln und ihr Blick ging ungehindert in die Weite des östlichen Horizonts.
    »Tatsächlich!« Jona vergaß in seiner Freude und unendlichen Erleichterung völlig, wie erschöpft und durstig er war.
    Sie hatten den Rand der wilden Berge erreicht, deren Felswände wenige hundert Ellen vor ihnen in die Tiefe abfielen. Jenseits der nackten Felszinnen lag das Tote Meer in seiner tiefen Senke. Der See, in dem es wegen seines hohen Salzgehaltes kein Leben gab, glitzerte in einem blassen silbrigen Blau wie ein riesiger Spiegel, den jemand dort in den von Felsen umschlossenen Einschnitt niedergelegt hatte. Jenseits des Sees erhoben sich wie auf dem Westufer des Toten Meers ähnlich steil aufsteigende Berge, die von Schluchten durchschnitten wurden.
    »Und da drüben, nicht allzu weit vom Fuß der Felsen...«, Timon deutete vage nach rechts, »liegt En-Gedi. Von hier aus kann man die Oase zwar nicht sehen, weil uns die Felsen den Blick verwehren. Aber in weniger als einer Stunde haben wir die ersten Palmen und die erste Quelle erreicht!«
    »Wie hast du das bloß geschafft?« Jona sah ihn erst staunend und voller Anerkennung an, um dann mit zerknirschter Miene einzugestehen: »Und mich quälten schon Zweifel, ob du uns auch nicht in die Irre führen würdest.«
    »Ich weiß.«
    »Tut mir Leid, dass ich so wenig Vertrauen gehabt habe.«
    Timon hegte deswegen keinen Groll und winkte ab. »Woher auch? Wir kennen uns doch erst ein paar Tage und du hattest ja nur mein Wort. Wahrscheinlich hätte ich mir an deiner Stelle auch große Sorgen gemacht.« Er schlug ihm auf die Schulter. »So, und jetzt komm weiter! Irgendwo da drüben bei den schroffen Klippen geht es zur Oase hinunter. Zum Glück jagen dir ja große Höhen keinen Schrecken ein, wie du in der Nacht unserer Flucht aus der Karawanserei bewiesen hast. Denn der Felssteig führt reichlich steil in die Tiefe.«
    Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend trat Jona mit Timon wenig später an den Rand der jäh abbrechenden Felsen. Er glaubte, auf das, was sie erwartete, vorbereitet zu sein. Doch als er in die Tiefe blickte und den steilen Windungen des schmalen Felssteigs folgte, den Timon ihm erst einmal zeigen musste, weil er ihm sonst als Pfad gar nicht ins Auge gefallen wäre, fuhr ihm doch der Schreck in die Glieder. Für die blühende Oase mit ihren zahlreichen Palmen, den Obstgärten und Steinhäusern, die sich ungefähr eine halbe Meile weiter südlich am Fuß der fast senkrecht aufragenden Felswände bis an das Ufer des Toten Meers erstreckte, hatte er überhaupt

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