Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
auf.
»Natürlich die römischen Soldaten und Statthalter, die unser Land besetzt halten, uns unterdrücken und unseren Glauben schänden!«, gab Timon sofort mit überzeugendem Nachdruck zur Antwort. »Kaiser Augustus hat zwar die pax romana im römischen Reich verkündet. Aber dieser römische Frieden des Augustus und jetzt des Kaisers Tiberius ist nur ein Frieden für die Reichen und für Roms willfährige Vasallen, nicht aber für die armen und einfachen Leute!«
Ein kühles Lächeln trat auf das Gesicht des Zelotenanführers. »Richtig, die Römer sind unsere Todfeinde und eines Tages werden wir sie aus unserem Land vertreiben. Aber es gibt Feinde, die unsere Verachtung und unsere Strafe noch mehr verdienen als die römischen Soldaten und Söldner, die nur tun, was man ihnen befiehlt. Und jetzt sagt mir, wer diese sind!«
Jona und Timon schauten sich verwirrt und ratlos an.
Barabbas gab ihnen keine Gelegenheit, lange über die richtige Antwort nachzudenken, sprang er doch schon im nächsten Moment auf und zog dabei seinen kurzen, gekrümmten Dolch. »Es sind die verfluchten Verräter aus unserem eigenen Volk, die mit den Römern gemeinsame Sache machen und deshalb den Tod durch die Sica verdienen!«, rief er mit plötzlich hasserfüllter Stimme in die hereinbrechende Nacht. »Es sind die verdammten Priester in Jerusalem, unter ihnen vor allem die Sadduzäer, die sogar noch mit dem Teufel einen Pakt eingehen würden, um sich an der Macht zu halten und ihre Privilegien zu sichern! Sie sind es, die mit Pontius Pilatus kollaborieren und ohne jede Gewissensbisse unser Volk an die römische Besatzungsmacht verkauft haben! Ihr Blut muss fließen! Und irgendwann wird es auch fließen!«
Mit drohend in den Himmel gerecktem Dolch stand Barabbas in der Mitte seiner Männer, die für einen langen Augenblick in Schweigen verharrten. Dann sagte eine Stimme trocken: »Alles zu seiner Zeit, Barabbas. Und dass die korrupten Sadduzäer genauso verschwinden müssen wie die Römer, ist ja wohl für keinen von uns etwas Neues. Also sag uns jetzt lieber, was mit den beiden jungen Burschen geschehen soll, die Gerschon angeschleppt hat. Mir knurrt der Magen.«
Mit unwirscher Miene wandte sich Barabbas in die Richtung dessen, der seinem Hassausbruch mit so nüchternen Worten den Boden entzogen hatte. »Was soll schon aus ihnen werden, Leban?«, blaffte er ihn an. »Natürlich nehmen wir sie bei uns auf. Oder hattest du vielleicht rühmlichere Taten vorzuweisen, als du zu uns gestoßen bist?«
Es gab raues Gelächter sowie einige spöttische Zurufe, die nun auf Kosten des Zeloten Leban gingen, und die angespannte Stimmung lockerte sich spürbar. Mit der Zusage ihres Anführers, dass Jona und Timon nun zu ihnen gehören sollten, verloren die meisten Männer auch das Interesse an ihnen. Die meisten kehrten in die Höhle zurück. Dass Barabbas die beiden Neuen auf das Gesetz der Sica einschwor und ihnen das heilige Versprechen abnahm, auch um den Preis des Todes für die gemeinsame Sache einzustehen, interessierte nur die wenigsten.
»Wir Zeloten leben nach dem Gesetz der Sica!«, sagte Barabbas abschließend. »Und wer es bricht, stirbt durch die Sica! Vergesst das nie!«
Wenig später führte Gerschon sie in die Höhle, deren Ausmaß sie in Erstaunen versetzte. Das Versteck der Zeloten bestand nämlich nicht nur aus einem großen Felsengewölbe, sondern dazu gehörte noch ein halbes Dutzend kleinerer Höhlen und spaltenreicher Gänge, die davon abzweigten und tiefer in den Berg reichten. Eine Hundertschaft hätte in diesem Versteck bequem Platz gefunden. Zwei der hinteren Höhlen dienten als kühle Lagerstätte für die Vorräte, die in Tonkrügen lagerten. Die größte Überraschung jedoch stellte für Jona und Timon die natürliche Zisterne dar. Bei Regen rann durch eine gerade mal handbreite Felsspalte, die sich bis hoch zur Spitze durch den Berg zog, das Wasser in dieses mehr als mannstiefe Felsbecken. Und damit das Wasser nach Ende der Regenzeit nicht so schnell ungenießbar wurde, vermischten die Zeloten es mit Wein.
»Ihr werdet euch bestimmt schnell bei uns zurechtfinden«, versicherte Gerschon nach dem ersten Rundgang, als er sie zurück in die Haupthöhle brachte, wo schon mehrere Kochfeuer brannten, die überwiegend mit trockenem Dung genährt wurden. »Die Kletterei hier herauf ist zwar lästig, aber man gewöhnt sich schnell daran. So, und jetzt lasst uns essen! Alles, was wir haben, teilen wir miteinander. Und
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