Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
dann. »Ich wette, ihr habt euch abgeseilt.«
    Gerschon grinste sie an. »Ja, alles Gute kommt nun mal von oben, oder?«, antwortete er scherzhaft und ohne konkrete Einzelheiten preiszugeben. »So, und jetzt sollten wir zusehen, dass wir uns auf den Weg machen und euch nach oben bringen. Auf uns wartet nämlich eine ordentliche Kletterei. Manche Stellen sind nur mithilfe von Leitern und Kletterstricken zu überwinden. Und eine davon ist der Aufstieg aus dieser Höhle.« Er stellte sich unter den Schacht und schickte einen scharfen Pfiff zu seinem Kameraden hinauf, der von oben für den Regen aus Sand und Steinen gesorgt hatte. Augenblicke später fiel ein Seil herab, das mit dicken Knoten als Kletterhilfe versehen war. Der Abstand zwischen den Knoten betrug etwa eine Elle, sodass man sie leicht greifen und mit den Füßen ertasten konnte.
    Jona gab dennoch einen gequälten Stoßseufzer von sich und verzog das Gesicht, als er daran dachte, wie hoch der Felsschacht reichte. »Uns erwarten also Leitern und Kletterseile! Wie reizend!«, murmelte er sarkastisch. »Eine Kletterpartie in nächtlicher Dunkelheit hat mir zu meinem Glück heute nämlich noch gefehlt.«
    Gerschons Grinsen wurde noch um eine Spur breiter. »Ob es nun Tag oder Nacht ist, macht für euch doch keinen Unterschied. Sehen würdet ihr so oder so nichts.«
    »Und warum nicht?«, fragten Jona und Timon wie aus einem Mund.
    »Weil wir euch nämlich die Augen verbinden müssen, damit ihr euch nicht den Weg zu unserem Versteck einprägen könnt«, sagte Gerschon und zog zwei Binden aus dicker schwarzer Wolle hervor. »So sieht es unser Gesetz nun mal vor.«
    »Was für ein Gesetz?«, fragte Timon verständnislos.
    »Das hier!«, stieß Bileam grimmig hervor und war mit einem Satz bei ihnen. Er hatte seinen Dolch gezogen und hielt ihnen die sichtlich scharfe Klinge vor das Gesicht. Er schwenkte den Dolch von einem zum anderen, als wollte er ihnen gleich die Kehle durchschneiden. »Die sica ist unser Gesetz. Darauf haben wir geschworen! Und wer das Gesetz nicht achtet und zum Verräter wird, der stirbt durch die Sica!«

3
    Mit verbundenen Augen am Seil den senkrechten Felsschacht hochzuklettern, war nicht gerade eine Herausforderung, die Jona auf die leichte Schulter nahm, ganz im Gegenteil. Und als Gerschon ihm die schwarze Wollbinde umlegte und ihm das Seil in die Hände drückte, da fehlte nicht viel, um sein starkes Unbehagen in Angst umschlagen zu lassen. Was ihn dennoch die Ruhe bewahren ließ, war das Wissen, dass er die nötigen Kräfte für diesen langen Aufstieg besaß und dass er sowohl die örtlichen Gegebenheiten als auch die zu bewältigende Distanz kannte. Er hatte ein genaues Bild des Schachts vor seinem inneren Auge, während er, einen Knoten nach dem anderen ertastend, am Seil hochkletterte und dabei im Stillen die Halt bietenden Verdickungen zählte, damit er stets ungefähr wusste, in welcher Höhe er sich befand und wie viel noch vor ihm lag.
    »Nicht schlecht geklettert«, begrüßte ihn oben am Rand eine nüchtern klingende Stimme, zu der zwei muskulöse Arme gehörten, die ihn packten und auf festen Boden zogen. »Mal sehen, wie du dich gleich auf den Steigen, Felsgraten und den Leitern anstellst!«
    Der Aufstieg im Schacht hatte Jona und Timon nicht nur körperlich, sondern auch nervlich einiges abverlangt, war jedoch nichts im Vergleich zu dem, was sie danach erwartete. Denn nun begann ein wahrer Albtraum!
    Ihnen fehlte fortan jedwede Orientierung. Sie wussten nicht, welche Richtung sie einschlugen und wie das vor ihnen liegende Gelände beschaffen war. Sie wussten nur, das vor ihnen irgendwelche Steige, Felsgrate und Leitern lagen, die sie mit verbundenen Augen zu bewältigen hatten, und allein diese Ankündigung klang schon beängstigend.
    »Nur die Ruhe!«, redete ihnen Gerschon zu. »Ihr seid nicht die Ersten, die wir auf diese Weise zu unserem Versteck geführt haben.«
    »Ja, die meisten haben es heil überstanden. Nur drei sind uns durch die Hände gerutscht und abgestürzt«, kam von hinten Bileams hämische Stimme.
    »Du kannst den Mund wohl nicht halten?«, blaffte Gerschon ihn erbost an. »Wir kümmern uns schon um die beiden. Und wir werden sie auch sicher nach oben bringen! Sieh du zu, dass du uns aus dem Weg kommst. Nimm ihre Stäbe!… Jaftah, du trägst ihre Wasserschläuche.«
    »In Ordnung.«
    Eine Hand berührte Jona, und Gerschon sagte zu ihm: »Ich werde dich führen, Jona. Gareb wird Timons Führer sein. Ihr

Weitere Kostenlose Bücher