Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
keine andere Wahl gelassen, als seine Entdeckung für sich zu behalten und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben zu retten. Alles andere blieb den Mächten des Schicksals überlassen.
Als er im Lager eintraf, erregte er sofort die Aufmerksamkeit des Anführers. Barabbas stand beim Fuhrwerk und besprach etwas mit Gerschon, und er sah sofort, dass Jona sich nicht mit vier, sondern nur mit drei Wasserschläuchen abschleppte.
»Kann ich meinen Augen schon nicht mehr trauen oder kommst du tatsächlich mit einem Schlauch weniger zurück?«, fuhr er ihn an und stellte sich ihm in den Weg. »Wo ist mein Schlauch? Der mit den Brandspuren am Ende?«
Jona hatte sich schon wohlweislich eine Erklärung für diese Frage ausgedacht. Und so konnte er jetzt ohne jedes Zögern antworten: »Er ist alt und brüchig gewesen, dort wo er dir in die Glut gefallen ist. Er ist gerissen und da habe ich ihn zwischen die Dornenbüsche geworfen.«
»Mein Schlauch ist brüchig gewesen und gerissen?«, blaffte Barabbas misstrauisch. »Das ist eine Lüge! Gib zu, dass dir ein vierter Schlauch einfach zu schwer gewesen ist! Na los, gib es doch zu!« Und er versetzte ihm einen Fausthieb vor die Brust.
Jona taumelte zurück, bewahrte jedoch das Gleichgewicht. »Nein, es ist die Wahrheit!«
Barabbas starrte ihn aus schmalen Augen an. »Los, hol dir die nächsten Schläuche! Und wage es bloß nicht, von deinem nächsten Gang zur Quelle noch einmal mit einem Schlauch weniger zurückzukommen. Dann findet die Knüppelgasse gleich hier statt, hast du mich verstanden?«
Unterwürfig senkte Jona den Kopf. »Ja, Barabbas«, murmelte er kleinlaut.
»Geh mir aus den Augen!«
Jona beeilte sich, dass er sich die nächsten vier leeren Schläuche über die Schulter hängte und wieder aus dem Lager kam, wo sich die Zeloten den Wein schmecken ließen und sich über den Proviant der getöteten Soldaten hermachten. Als er zu den Büschen kam, hinter denen er auf den verletzten Legionär und die junge Frau gestoßen war, stellte er zu seiner großen Erleichterung fest, dass sie verschwunden waren. Er wünschte ihnen Glück und dass sie die Siedlung beide lebend erreichten.
Als er von seinem letzten Gang zur Quelle müde ins Lager zurückkehrte, bekam er gerade noch mit, wie Barabbas dem Gelage seiner Männer Einhalt gebot und verkündete: »Genug gesoffen, Männer! Das reicht für heute! Einige von uns haben diese Nacht nämlich noch einen langen Marsch vor sich. Denn wir müssen die Gunst der Stunde nutzen. Wir werden morgen bei Sonnenaufgang noch einen Streifzug unternehmen.«
»Was?«, entfuhr es Gerschon ungläubig. »Nach dieser Nacht?«
»Ja, und zwar genau wegen dieser Nacht!«, erwiderte Barabbas nachdrücklich. »Wir haben einige magere Wochen hinter uns, und vor uns liegt eine Zeit, wo wir kaum auf Streifzug gehen und Wegzölle erheben können. Denn spätestens in ein, zwei Tagen wird man wissen, dass diese Soldatenabteilung mit dem Fuhrwerk voll bestem Wein nicht an ihrem Ziel angekommen ist, und dann wird man stark bewaffnete Suchkommandos aussenden. Nur ein ausgemachter Dummkopf wird sich dann noch aus seinem sicheren Versteck wagen. Und deshalb werden wir morgen noch einmal einen gerechten Beitrag für unseren Befreiungskampf von den Reisenden einkassieren.«
Keiner der Männer zeigte große Begeisterung für die Entscheidung ihres Anführers, diejenigen ausgenommen, die mit den eingesammelten Waffen ins Versteck zurückkehren konnten, sowie die beiden Glückspilze, die Barabbas damit beauftragt hatte, Pferde, Fuhrwerk und den Großteil der Ladung Wein bei ihrem Hehler in Sekaja zu verkaufen. Aber alle sahen ein, dass es sinnvoll war, noch einmal bei den Reisenden auf einer der großen Landstraßen Wegzoll zu erheben, bevor es in ihrem Gebiet von schwer bewaffneten Soldatentrupps nur so wimmelte und sie sich wer weiß wie lange nicht mehr aus ihrem Versteck wagen durften.
Jona ahnte schon, dass Barabbas ihn nicht verschonen und zu seiner Gruppe einteilen würde, um ihn zu schinden. Und genau so verhielt es sich auch. Der einzige Trost bestand darin, dass auch Timon mitkommen musste. An der Seite seines Freundes würde er den Hohn und die abfälligen Bemerkungen der Männer besser ertragen können.
Sie machten sich schon bald auf den langen nächtlichen Marsch nach Nordwesten. Als sie irgendwann nach Mitternacht eine längere Rast einlegten, bedeutete Jona seinem Freund, sich etwas abseits von den anderen zu setzen, wo sie ungestört
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