Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
die neben dem Fuhrmann auf dem Kutschbock saß, und dann auch noch den Mann sah, der ganz hinten zwischen der Ladung mitfuhr, beschlich ihn eine beängstigende Ahnung.
»Allmächtiger!«, stieß er leise hervor und sprang wie von einem Skorpion gestochen auf.
»Was hast du?«, fragte Timon.
»Das sind die beiden von gestern Nacht!«, flüsterte Jona. »Der Legionär und dieses Mädchen Tamar!«
»Heiliger Mose!«, entfuhr es Timon bestürzt. »Dass sie sich retten können, habe ich ihnen ja von ganzem Herzen gewünscht, nicht aber dass sie uns ausgerechnet hier noch einmal über den Weg laufen!«
»Wenn das bloß gut geht!«, sagte Jona gequält.
Während sich Barabbas mit Jaftah mitten auf die Landstraße stellte und den Fuhrmann mit gebieterischer Gebärde zum Anhalten aufforderte, hielten sich Jona und Timon hinter den anderen Zeloten halb versteckt. Mit angstvoller Anspannung warteten sie, was nun geschah. Würde irgendjemand den Soldaten wiedererkennen?
Als das Fuhrwerk, wenige Schritte von ihnen entfernt, anhielt und Barabbas den Kutscher mit seinen üblichen Sprüchen begrüßte, mit denen er dessen patriotische Seele anzusprechen und ihm einen möglichst hohen Wegzoll aus dem Geldbeutel zu locken versuchte, musterte Jona das Mädchen und den Soldaten. Zu seiner großen Erleichterung stellte er fest, dass beide wie Bettler in erbarmungswürdige Lumpen gekleidet waren. Nichts wies darauf hin, dass der bleichgesichtige Mann hinten ein Soldat war. Er kauerte zwischen einer Ladung von entsetzlich stinkenden Fellen. Das Einzige, was ihm zum Verhängnis werden konnte, wenn Barabbas ihn einer näheren Prüfung unterzog, war der große feuchte Fleck, der sich auf dem fadenscheinigen Umhang über seiner rechten Schulter ausgebreitet hatte. Blut musste den notdürftigen Verband, den er vermutlich darunter trug, getränkt haben und in den dünnen Mantelstoff durchgesickert sein.
Der Fuhrmann wies das Ansinnen des Zelotenführers, Wegzoll als Beitrag zur Befreiung Judäas zu zahlen, empört zurück. »Was fällt euch ein, mich um mein weniges, sauer verdientes Geld erleichtern zu wollen?«, entrüstete er sich. »Ich bin ein armer Gerber, der eine kleine Gerberei in Betanien betreibt. Was ich im Schweiße meines Angesichts verdiene, reicht gerade mal aus, um mich und meine kinderreiche Familie vor der Armut und der Bettelei zu bewahren!«
Barabbas grinste ihn spöttisch an. »Nun mach mal nicht so ein Geschrei, mein Freund! Dein Pferd steht gut im Futter, wie man sieht«, sagte er und klatschte dabei dem Schimmel auf den Hals. »Und die Ladung Felle, die du transportierst, hat sicherlich einen schönen Batzen Geld gekostet und bringt dir mehr als nur ein paar lumpige As Gewinn. Also stell dich nicht so an! Oder hältst du es vielleicht mit den Römern und ihren jüdischen Mitläufern?«
»Willst du mich beleidigen, Zelot?«, blaffte der Gerber unerschrocken zurück. »Meine Familie und ich haben mehr als unser Scherflein im Kampf gegen die Römer und ihre Statthalter gegeben! Mein ältester Sohn wurde in Jerusalem erschlagen, als Pilatus die Menge niederknüppeln und zusammenstechen ließ, die dagegen protestierte, dass dieser Hurensohn sich am Tempelschatz vergriff, um mit dem Geld eine neue Wasserleitung in die Stadt zu legen! Und was die Felle betrifft, so habe ich die von einem Kunden in Zahlung genommen. Wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin, wird mir nicht mehr viel bleiben!«
»Hör endlich auf zu jammern!«, fuhr Barabbas ihn an, während Jaftah zu Jonas wachsender Besorgnis zu dem verletzten Soldaten hinten an den Wagen trat. »Was sind schon drei lausige Denar für dich und deine Fahrgäste, von denen du doch bestimmt Fahrgeld kassiert hast!«
»Von wegen!«, widersprach der Gerber, und der Schweiß trat ihm nun auf das Gesicht. »Nicht einen As habe ich von ihnen genommen. Ich habe sie aus Barmherzigkeit mitgenommen. Oder sehen die zerlumpten Gestalten etwa danach aus, als besäßen sie auch nur eine mickrige Kupfermünze?«
»Na, das wird sich ja gleich zeigen, wenn wir mit euch fertig sind!«, drohte Barabbas.
Indessen hatte Jaftah dreist nach dem Wasserschlauch gegriffen, der neben dem Soldaten auf den Fellen lag, den Verschluss herausgezogen und ließ sich das Wasser nun verschwenderisch über den Kopf laufen, als wäre nicht jeder Tropfen kostbar.
»Es stimmt, was der Mann sagt!«, beteuerte Tamar nun hastig. »Mein stummer Bruder Aaron und ich sind völlig mittellos, Herr! Wir ziehen
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