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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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dann bin ich das«, sagte er leise und mit zittriger Stimme. »Ich habe noch nie in meinem Leben einem Menschen etwas Böses getan. Und jetzt... jetzt habe ich einen unbewaffneten Mann niedergestochen… Und dass es ein römischer Soldat war, macht es nicht besser... Nicht dass ich für Römer etwas übrig hätte… wahrlich nicht, und das weißt du... Aber es war doch kein richtiger Kampf... und er war kaum älter als ich.« Verstört fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. »Ob ich ihn wohl getötet habe?… Ich habe ihn nur an der rechten Schulter erwischt... Und als ich zum Wagen zurück bin und nach ihm gesehen habe, war er nicht mehr da … Was ist, wenn er davongekrochen ist?… Ich hoffe sogar, er ist davongekommen. Allmächtiger, wenn ich sein Leben auf dem Gewissen habe...« Seine bebende Stimme brach ab, und erschüttert starrte er auf seine Hände, als könnte er noch immer nicht glauben, was er getan hatte.
    Jona hätte ihm gern etwas Tröstliches gesagt, aber er wusste nicht, welchen Trost er ihm hätte bieten können. Was geschehen war, vermochten auch tausend Worte nicht schönzureden, geschweige denn zu rechtfertigen.
    »Jona!« Die scharfe Stimme des Barrabas ließ ihn zusammenfahren. »Los, komm her, du Feigling! Bevor du dich ans Wasserschleppen machen darfst, hast du hier noch eine andere Arbeit zu erledigen. Du packst beim Wegschaffen der Leichen mit an! Oder jagen dir vielleicht sogar noch tote Römer Angst ein?«, höhnte er und rief damit bei einigen abschätziges Gelächter hervor. »Nun beweg dich schon, sonst komme ich und mache dir höchstpersönlich Beine!«
    Jona schauderte bei dem Gedanken, dass er mithelfen sollte, die Leichen aus dem Hain zu schaffen und in die tiefe Felsspalte zu werfen. Und obwohl eine innere Stimme ihm versicherte, dass er recht daran getan hatte, sich nicht an dem blutigen Geschäft zu beteiligen, empfand er diese Demütigung gleichzeitig doch als gerechte Strafe für sein Verhalten.
    Der Zelot, mit dem zusammen er die Leichen zu der Felsspalte trug und dort über den steilen Hang in die Tiefe rollen ließ, verspottete ihn in einem fort. Sein Wortschatz an Schmähungen jeder Art war reich und wurde nur noch von seinem Einfallsreichtum übertroffen, wie sich diese Verhöhnungen in immer neuen Variationen einsetzen ließen.
    Jona wehrte sich mit keinem einzigen Wort. Er tat, was ihm der Zelot befahl, hielt den Kopf gesenkt und vermied, so gut es ging, dass sein Blick auf die grässlichen Wunden der Toten fiel. Dem Ekel entkam er jedoch so wenig wie dem Blut, das bald an seinen Händen klebte und ihn würgen ließ. Bisher hatte er sich noch nie ernstlich Gedanken über den bewaffneten Kampf und das Blutvergießen im Namen eines von Rom freien jüdischen Landes gemacht. In dieser Nacht jedoch kam er zu der Überzeugung, dass kein noch so hehres Ziel das gegenseitige Abschlachten rechtfertigte. Frieden und Freiheit ließen sich nicht mit Blut erkaufen. Schlächtereien wie diese hatten nur weitere Grausamkeiten und neuen mörderischen Hass zur Folge.

8
    Nachdem endlich alle Leichen, genau zehn an der Zahl, am Boden der schmalen Felsspalte lagen und Jona sich zumindest einiges von dem vielen Blut mit Sand von Händen und Armen gerieben hatte, schickte Barabbas ihn mit den Wasserschläuchen zur Quelle.
    »Was soll das? Du willst bloß mit drei Schläuchen los? Hier, meinen nimmst du auch noch mit!«, brüllte er und warf ihm seinen Ziegenschlauch vor die Brust. »Du wirst ja wohl noch in der Lage sein, vier volle Schläuche zu tragen!«
    Timon bot sich an, mit ihm zur Quelle zu gehen, damit er die Strecke nicht ein gutes Dutzend mal auf sich nehmen musste, die Hälfte davon schwer beladen. Denn fast zwanzig Schläuche sollten gefüllt werden. Aber der Anführer der Zeloten verbot es ihm. »Er hat es sich selbst zuzuschreiben. Zum Wasserschleppen taugt er ja wohl noch. Und du kommst zu uns, Timon! Du hast dir einen ordentlichen Schluck von dem Wein, der bestimmt für den Keller des Pilatus in Jerusalem bestimmt war, redlich verdient!«
    Wie ein geprügelter Hund zog Jona gesenkten Hauptes mit den vier Ziegenschläuchen los. Den Weg kannte er. In den vergangenen Monaten war er mit Timon und Gerschon schon mehrfach ins Wadi Ajin hinuntergestiegen, um Wasser zu holen. Die Quelle lag auf der Westseite der Schlucht, etwa vierzig Schritte oberhalb des trockenen Bachbettes, das recht flach, breit und sandig war, sodass die Soldaten, unvertraut mit dem Gelände, es leicht

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