Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Steuereintreiber schöpften überall Gewinne ab. Nicht nur dass sie auf alle Produkte einmal Steuern bei der Herstellung oder wie bei den Fischern nach dem Fang erhoben und dann ein zweites Mal Steuern beim Verkauf der Ware verlangten. Nein, sie forderten sogar schon für die Lizenz zum Fischfang hohe Gebühren. Und beim Transport über die Grenzen warteten wiederum die geldgierigen Zöllner, die einen noch einmal schröpften. Dazu kamen dann noch die Ausgaben für Bootsreparaturen, Segel, Anker, Taue, Netze, Schwimmer, Bleigewichte und was sonst noch alles nötig war, um Tag für Tag zum Fischfang hinausfahren zu können.
Jona wusste, dass er sich glücklich schätzen durfte, dass Jakob sich auch für ihn bei David und den anderen eingesetzt hatte und er seit ihrer Ankunft zu ihnen gehörte. Dass ihm ein bedeutend geringerer Anteil vom Fang zugeteilt wurde als den anderen, empfand er nur als gerecht.
Und diesen Dank sprach er an diesem Vormittag noch einmal aus, als er mit Jakob über den Strand zu ihrer Wohninsel ging.
Aber davon wollte Jakob nichts wissen. »Du tust deine Arbeit wie jeder andere von uns und bald wird dir auch ein voller Anteil zustehen. Und nachdem es Thaddäus nicht länger bei uns gehalten hat, weil er meint, unbedingt wie Simon und Andreas und all die anderen dem Nazoräer auf seinen Wanderungen folgen zu müssen, haben wir ja auch die richtige Mannstärke in unserem Boot. Du brauchst deine Arbeit bei uns also gar nicht...« Er brach mitten im Satz ab und lachte auf. »Sieh doch mal, wer da im Tor sitzt und auf uns wartet! Unser Herumtreiber!«
Timon erhob sich von dem Steinsockel, auf dem er gesessen hatte, und winkte ihnen zu, als sie aus dem Schatten der Bäume traten, die den Uferweg säumten.
Jona freute sich ungemein, ihn wiederzusehen, und winkte zurück. Er hoffte, dass Timon auf Dauer zu ihnen zurückgekehrt war, zumindest jedoch für längere Zeit bleiben würde.
»Na, gibst du uns mal wieder die Ehre deines Besuchs, werter Vetter?«, rief Jakob ihm gutmütig zu. »Oder bist du nur auf eine kurze Stippvisite in Kapernaum?«
»Ein paar Tage werdet ihr mich schon ertragen müssen«, antwortete Timon gut gelaunt. »Wohin es dann geht, wissen wir vorher nie so genau. In diesen Dingen ist unser Rabbi doch recht unberechenbar.«
Jona spürte einen leichten Stich des Neides, als er seinen Freund so selbstverständlich von »wir« und »unserem Rabbi« reden hörte. Er wünschte manchmal, auch er hätte sich wie Timon dem Nazoräer angeschlossen. Aber irgendwie hatte er sich zu diesem Entschluss nie ganz durchringen können. Denn so tiefgehend der Eindruck auch war, den Jesus in der Synagoge in ihm hinterlassen hatte, so fehlte ihm doch der letzte Rest an Überzeugung, dass nichts wichtiger sei, als diesem Wanderprediger zu folgen und sich in dem unterrichten zu lassen, was dieser seinen Anhängern lehrte. Er war sich auch nicht schlüssig, ob es recht war, wenn Väter ihre Familien verließen und alles aufgaben, um dem Prediger nachzufolgen und wie die Bettler über Land zu ziehen.
»Ist der Nazoräer auch wieder in Kapernaum?«, fragte Jakob erwartungsvoll.
Timon nickte. »Er wohnt mit einigen seiner Jünger 42 im Haus des Simon, dem er übrigens einen neuen Namen gegeben hat, nämlich Petrus 42 .« 43
»Dann werden wir ihn am nächsten Sabbatmorgen wieder in der Synagoge hören?«
»Das bezweifle ich«, sagte Timon.
Jakob hob die Augenbrauen. »Weil er wieder so einen Aufruhr wie damals fürchtet?«
»Ich glaube nicht, dass er sich daran stört«, meinte Timon. »Aber inzwischen wollen ihn so viele reden hören, dass die Synagoge nicht mehr genug Platz bietet. Er wird seine Lehre wohl wieder irgendwo auf dem freien Feld oder am Ufer des Sees verkünden, wo sich die Leute einfacher um ihn versammeln können.«
Jakob nickte. »Na, du wirst uns schon rechtzeitig darüber unterrichten, wenn der Nazoräer eine solche Versammlung abhält. So, und jetzt sag, ob wir mit dir später zum Essen rechnen können, damit sich Mirjam darauf einstellen kann.«
Timon grinste. »Was für eine Frage? Natürlich komme ich zum Essen! Nach den kargen Mahlzeiten, mit denen wir uns auf unseren Wanderungen begnügen mussten, wird das für mich ein regelrechtes Schlemmermahl sein!«
»Gut, dann sehen wir uns ja nachher, und dann ist auch genügend Zeit, damit du uns berichten kannst, wo ihr überall gewesen seid und was du so alles von eurem Rabbi gelernt hast«, sagte Jakob zufrieden, klopfte ihm
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