Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
auf die Schulter, nahm den Korb mit den wenigen Fischen und verschwand durch das Tor in den Bereich der Wohninsel. Dass Timon die Stunden bis zur abendlichen Mahlzeit mit seinem Freund verbringen würde, bedurfte für Jakob gar keiner Frage, wusste er doch, wie sehr Jona ihn vermisst hatte.
Jona machte aus seiner Freude auch keinen Hehl. »Was bin ich froh, dass du dich mal wieder bei uns blicken lässt«, sagte er. »Du warst ganz schön lange weg.«
Timon zuckte die Achseln. »Wir sind auch fast bis nach Tyrus gekommen, wo Jesus zu den Heiden gepredigt hat. Aber sag, wie kommst du denn so als Fischer zurecht?«
»Gut genug, um ein paar Münzen im Beutel zu haben, die für einige Becher Wein in Nerijas Taverne am Marktplatz reichen«, erwiderte Jona. »Vorausgesetzt natürlich, du bist mittlerweile nicht zu einem Asketen geworden!«
Timon lachte. »Wenn das eine Einladung sein soll, nehme ich sie sofort an! Und mit der strengen Zucht, die Johannes der Täufer sich auferlegt hat, hat unser Rabbi nichts zu schaffen. Wenn er irgendwo eingeladen wird, dann nimmt er mit Dank und Freude, was aufgetischt wird. Und Wein weist er schon gar nicht zurück. Er sagt, Gott hat all die vielen Freuden des Lebens nicht dazu geschaffen, dass wir sie verachten und uns kasteien. Es geht nur darum, das richtige Maß zu halten, zu teilen und zu wissen, wann die Zeit zum Feiern und wann zum Fasten gekommen ist.«
»Dann bin ich ja beruhigt. Also, lass uns gehen, du verdammter Herumtreiber! Ich wette, du hast eine Menge zu erzählen!«
»Worauf du dich verlassen kannst!« Timon boxte ihn kameradschaftlich in die Rippen, legte ihm seinen Arm um die Schulter und machte sich mit ihm auf den Weg zum Marktplatz, auf dem rege Betriebsamkeit herrschte.
Wenig später saßen sie dort unter dem mit Schilfmatten gedeckten Vordach von Nerijas einfacher Taverne, zwei Steingutbecher und einen Krug mit preiswertem Wein vor sich.
Mit großer Begeisterung erzählte Timon nun von ihren Wanderungen mit dem Nazoräer, dem eine immer größer werdende Schar von Anhängern folgte, unter ihnen auch viele Frauen, die ihn ganz besonders innig verehrten und ihn auch finanziell unterstützten. Er berichtete, wie Jesus auf seine ganz eigene Art strittige Punkte des jüdischen Gesetzes auslegte und wie er immer wieder davon sprach, dass das Himmelreich Gottes nahe, ja schon unter ihnen gegenwärtig sei.
»Wie soll denn das Himmelreich Gottes schon unter uns sein?«, wollte Jona verwundert wissen. »Wird das uns nicht erst der Messias bringen?«
»Ich gebe zu, dass manches, was er lehrt, wirklich schwer zu verstehen ist«, räumte Timon ein. »Aber wenn man ihn reden hört, dann macht irgendwie auch das Sinn, was einem noch wie ein Geheimnis erscheint. Es ist mehr... nun ja, ein Gefühl als ein Wissen, dass er mit göttlicher Vollmacht spricht. Und viele sprechen schon davon, dass er mehr ist als der Vorläufer des Erlösers, viel mehr als ein Prophet, Lehrer und Wundertätiger, nämlich der Messias selbst.«
Sichtlich verblüfft setzte Jona seinen Becher, den er gerade zum Mund hatte führen wollen, wieder ab. »Er soll der Gesandte Gottes sein, der Israel von der Unterdrückung befreit und die Römer aus dem Land treibt?« Er klang ungläubig.
»Nicht eine Befreiung durch Feuer und Schwert! Die Befreiung, die er verkündet, setzt nicht auf Gewalt, ganz im Gegenteil«, stellte Timon sofort klar. »Seine Botschaft ist eine andere. Er sagt, dass man eher dienen als herrschen und sich von den Fesseln materieller Sucht befreien soll. Und dass man, um das Reich Gottes zu erlangen, vor allem den vorbehaltlosen und vertrauensvollen Glauben eines Kindes haben soll. Dann werde auch das Himmelreich Gottes unter uns offenbar!«
»Na, das ist schon eine reichlich schwere Kost, die er euch da zu verdauen vorsetzt«, sagte Jona mit skeptischer Miene.
»Ich weiß, da ist vieles, was man nicht so richtig begreift«, gestand Timon ein. »Und wenn ich mit Petrus, Andreas und den anderen rede, die ihm am nächsten stehen, dann geben auch sie zu, dass sie vieles nicht verstehen und dass die Lehre des Rabbi eigentlich immer mehr Fragen aufwirft als klare Antworten gibt, die leicht zu begreifen und zu befolgen sind. Aber irgendwie spürt man dennoch die tiefe Wahrheit, die sich hinter seinen oftmals geheimnisvollen Worten verbirgt, so unsinnig es jetzt auch klingen mag. Vor allem wenn er in Gleichnissen redet, und darauf versteht er sich wie kein anderer, dann öffnen sich
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