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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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erfahren, dass Jesus sich häufig in diese Landstriche östlich von Galiläa begab, weil er dort recht sicher sein konnte, dass ihn die Obrigkeit trotz seiner radikalen Predigten nicht verfolgte.
    »Wo genau führst du mich denn überhaupt hin?«, fragte Jona, als sie der Landstraße über das blühende Hügelland folgten, dessen Wiesenflecken mit Wildblumen bunt gesprenkelt waren.
    »In die Nähe von Betsaida, einer größeren Ortschaft, die Philippus kürzlich zur Stadt erhoben hat«, erklärte Timon. »Nach den Märschen, die wir schon hinter uns haben, ist es bloß ein Katzensprung.«
    Jona hätte bei dem prächtigen Wetter und in der Gesellschaft seines Freundes auch gegen einen langen Marsch nichts einzuwenden gehabt, wäre das doch wie in alten Zeiten gewesen, die ihm mittlerweile weit zurückzuliegen schienen. Dabei war noch nicht einmal ein volles Jahr seit ihrer Flucht aus der Karawanserei vergangen.
    Schon bevor sie Betsaida erreichten, trafen sie auf Leute aus umliegenden Dörfern, die wie sie zu dem Rabbi Jesus unterwegs waren. Sie erfuhren, dass er mit seiner Anhängerschaft ein gutes Wegstück von Betsaida entfernt irgendwo auf freiem Feld bei einer Hügelgruppe anzutreffen sei.
    Den Weg dorthin brauchten sie nicht zu suchen. Die Menschen, die aus allen Himmelsrichtungen an diesen Ort strömten, führten sie zu ihm.
    »Allmächtiger!«, entfuhr es Timon, als sie ihr Ziel endlich erreichten und sahen, wie viele Menschen dicht an dicht und in einem weiten Halbkreis rund um den Hügel saßen, von dem aus der Nazoräer predigte. »So viele Menschen habe ich noch nie zu seinen Predigten kommen gesehen!«
    »Das müssen ja tausende sein!«, sagte auch Jona erstaunt.
    »Ja, vier- bis fünftausend bestimmt, schätze ich mal!«, versicherte Timon. »Da wird es schwer sein, zu ihm und Petrus und den anderen durchzukommen.«
    »Das ist ja auch nicht nötig«, meinte Jona, der sich nicht danach drängte, in unmittelbarer Nähe dieses außergewöhnlichen Menschen zu sitzen - und vielleicht wieder von seinem Blick erfasst und völlig durchdrungen zu werden. »Wir werden schon noch einen Platz finden, wo wir ihn gut hören können.«
    »Aber später will ich dich mit Petrus und vor allem mit Thomas bekannt machen, mit dem ich mich am besten verstehe. Manchmal glaube ich, er könnte ein Bruder von dir sein«, sagte Timon augenzwinkernd und ließ offen, wie er das meinte.
    Sie begaben sich hinüber auf die rechte Flanke des Hügels, wo die Menschen noch nicht gar so dicht beieinander saßen, und machten es sich im Gras bequem.
    Als Jona zum Nazoräer hochblickte und hörte, mit welcher Klarheit und Eindringlichkeit er zu reden verstand, da war ihm, als befände er sich wieder in der Synagoge. Dieselbe Faszination griff nach ihm, als er mit der großen Menge den einprägsamen Gleichnissen und Redewendungen lauschte, die dieser Jesus immer wieder anbrachte, um eine scheinbar schwer verständliche Auslegung der Tora zu verdeutlichen. Er erzählte ein Gleichnis, in dem es um den Besitzer eines großen Weinberges 8 ging, der im Laufe des Tages immer neue Tagelöhner anstellte und doch am Ende des Tages allen den gleichen Lohn zahlte. Jeder erhielt seinen Denar, sowohl der Erste, den er am frühen Morgen zur Arbeit in den Weinberg geholt hatte, als auch derjenige, den er erst kurz vor Arbeitsschluss zu den anderen Arbeitern geschickt hatte. Und erst erschien Jona und den anderen Zuhörern um ihn herum der Groll und Missmut der murrenden Tagelöhner nur zu verständlich, die sich schon seit dem Morgen für ihn abgeschuftet hatten, aber deshalb doch nicht ein As mehr für ihre viel längere Arbeitszeit erhielten als die Tagelöhner, die später am Tag zu ihnen gestoßen waren.
    Aber dann öffnete er ihnen die Augen für ihren unbegründeten Neid, als er in der Rolle des Weinbergbesitzers dem Wortführer der Murrenden erwiderte: »Freund, ich tue dir kein Unrecht. Hast du dich nicht mit mir auf einen Denar geeinigt? Nimm, was dein ist, und geh. Ich will aber diesem Letzten ebenso viel geben wie dir. Oder ist es mir nicht erlaubt, mit dem Meinen zu tun, was ich will? Ist dein Auge neidisch, weil ich gut bin?«
    Und um es auch allen ganz deutlich zu machen, dass Missgunst das Herz verhärtet und es eine Gerechtigkeit gibt, die sich nicht in Aufrechnen erschöpft, erzählte er ihnen noch das Gleichnis vom verlorenen Sohn 9 .
    Dieser hatte sich sein Erbteil vom Vater auszahlen lassen und alles in der Fremde mit Wein, Dirnen und

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