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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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keine weiteren Versuche, ihm aufs Meer zu folgen, obwohl ein Offizier ums Leben gekommen war. Sie fanden seine Leiche im Wald.«
    Der Offizier schenkte sich Wein nach. Ich verzehrte meine Krabbe, die nicht nackter hätte werden können, als sie jetzt war, dann fragte ich nach dem, was ich wissen wollte.
    »Wie hieß er?«
    Der Offizier sagte, er werde Anton Dahlström nie vergessen. Danach schlug er vor, wir könnten uns beim nächsten Mal im Restaurant Alphydden treffen. Ich sagte so halbwegs zu, dann erhoben wir uns, Lea und ich, und bedankten uns für alles.
    Der Geschmack der Krabben und das, was hier gesagt worden war, steckten mir in Hals und Beinen. Ich stolperte über einen Stein, und Lea nahm meinen Arm. Natürlich staunte sie. Ich hatte ihr nie erzählt, was Anton mir anvertraut hatte, auch
wenn sie wusste, dass er als Schiffsjunge auf Marstrand gewesen war.
    »Das ist also Antons Geheimnis. Oder war es die Schuld des Offiziers?«
    Ich schwieg, und sie redete weiter.
    »Du hast es die ganze Zeit gewusst, Rakel. Und nichts gesagt. Aber ich habe es gespürt. Etwas stimmt nicht mit diesem Mann. Hast du vor, mehr zu erzählen, oder muss ich dich dazu zwingen?«
    »Es stimmt, dass er einen Mann getötet hat. Aber es ging nicht um eine Frau. Ein Offizier hatte einen seiner Kameraden gequält. Anton wollte sich rächen. Es war ein Unglück. Dann hat ihm ein Kapitän zur Flucht verholfen.«
    Ich verstummte. In der Luft zwischen mir und Lea hallte die Erinnerung daran wider, was Anton bei uns erzählt hatte, in der Küche zu Hause in Fiskinge, darüber, woher seine Narbe stammte. Ich habe mich wegen einer Frau geschlagen. Ich tanzte mit ihr, und jemand kam und wollte sie abklatschen. So oft hatte ich das, was er gesagt hatte, in meinen Gedanken gedreht und gewendet, dass ich es hören konnte, als ob er hinter mir stünde und mir alles zuflüsterte. In seinem Gesicht leuchteten die Augen wie damals, als er die Männer niederschlug, die mich belästigt hatten.
    Lea seufzte. »Wahrheit, Lüge und dann wieder Wahrheit. Wie die Nähte in den Schuhen. Verhaken sich auf beiden Seiten ineinander. Aber es bleibt dabei, dass Anton einen anderen Menschen getötet hat. Dazu gehört sehr viel, Rakel. Egal, wie groß der Jähzorn auch ist.«
    »Du hast gut reden.«
    »Wirklich?«
    Schweigend gingen wir zum Haus weiter, und ebenso schweigend machten wir uns an unsere Arbeit. In meinen Gedanken
hörte ich immer wieder, was der Offizier gesagt hatte. Sie hatten sich um eine Frau geschlagen. Spielte das eine Rolle? Das Unglück war geschehen und würde sich nicht wiederholen, seine Liebe zu mir war echt. Seine geschriebenen Worte waren der Beweis. Ich hatte keine Kraft, noch einmal daran zu zweifeln. Aber hatte er mir zuliebe die Wahrheit durch eine Lüge gemildert? Das musste ein Ende haben. Nichts konnte schlimmer sein als Unehrlichkeit, das würde ich ihm klarmachen.
    Bald konnten wir wieder ausgehen. Lea erklärte, sie sei im Hotel mit Carl Otto verabredet, der die Nacht auf der Insel verbrachte. Er wolle »zum Zuge kommen«, wie er Lea auf einem Zettel mitteilte, den er ihr bei seinem letzten Besuch zugesteckt hatte. Nur, dass sie ihm jetzt sagen würde, dass alles zu Ende sein müsse.
    Die Liebesnacht mit Ruben lag hinter ihr, und Leas Gesicht wirkte weich, als sie davon erzählt hatte. Zuckersüß war die Nacht gewesen. Unschuldig und genauso, wie sie sich das vorgestellt hatte. Das Kind in ihrem Bauch war jetzt eine Gewissheit, und diese Gelegenheit war so gut wie jede andere.
    »Und wenn er wütend wird und dich hinauswirft?«
    »Damit muss ich rechnen. Ich habe Geld und einen lieben Mann an meiner Seite. Die Klippe wird nicht niedriger, wenn ich mit dem Springen warte. Und Angst habe ich wirklich nicht.«
    Hatte ich selbst denn Angst? Ich weiß nur, dass die Wolken angefangen hatten, einander in seltsamen Formationen zu jagen. Ich ging allein zum Tanzboden, fuhr unterwegs mit der Hand über den Stamm der Silberpappel und hoffte uneingestanden, dass Jakob dort sein würde. Ich würde mich ihm nicht anvertrauen können, aber mich nicht alleine fühlen. Als ich die Musik hörte, schienen sich goldene Schlingen um die Bäume zu winden. Kurz darauf trat Jakob neben mich, und ich atmete auf.
Er war noch immer allein im Haus, aber er wusste nicht, wie lange er diese Gastfreundschaft noch würde ausnützen können. Und sein Geld ging inzwischen auch zu Ende.
    Das erzählte er, während er mich zum Tanz führte, mit gutmütigem

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