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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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meiner Bekannten haben gehässige Bemerkungen gemacht, als ich anfing, mich mit Rolf zu treffen. Sicher hatten sie selbst ihre Haken ausgeworfen, und dann hat er sich in mich verguckt, dabei hatte ich es nicht einmal darauf angelegt. Ich habe ihn einfach nur gefragt, ob ich mir ein paar von seinen Äpfeln holen dürfte, um daraus Kompott zu kochen. Er brachte mir eine ganze Tüte. Und dann ist er immer wieder gekommen. ›Ich habe sie unter dem Apfelbaum gefunden‹, hat
er zu einigen von diesen alten Tanten gesagt, und schon hatten die Klatschmäuler genug zu tun.«
    »Ich kenne das. Eine Freundin, eine Bekannte, hat mir gesagt, ich hätte Mårten ja offenbar sehr schnell vergessen.«
    Warum fing sie gerade jetzt an zu weinen? Im Hintergrund hörte sie Solveigs Stimme, tröstend und erfüllt von dem Wunsch zu erklären.
    »Ach, Inga, das ist nur Neid … sie sind unzufrieden mit sich selbst. Sie können nicht verstehen, dass wir und alle anderen starken Menschen im Grunde gar nicht so stark sind. Es klingt blöd, aber es wird besser. Du weißt doch, dass du Mårten niemals vergessen wirst. Was spielt es da für eine Rolle, was ein unglücklicher Mensch sagt?«
    »Ich weiß, du hast recht, aber …«
    Sie weinte jetzt haltlos. Während sie versuchte, sich mit dem Ärmel das Gesicht abzuwischen, hört sie im Telefon Solveigs Stimme.
    »Ist schon gut. Raus mit dem Dreck. Und während du dich weiter um dich kümmerst, werde ich mich ein wenig umhören. Das gibt mir eine gute Gelegenheit, nicht den Teufel und seine Großmutter anzurufen und über wehe Knie oder einen Beitrag zu einem Beerdigungsgesteck reden zu müssen. Je mehr ich darüber nachdenke, umso neugieriger werde ich. Und irgendetwas geht mir jetzt durch den Kopf. Deine Großmutter hatte eine Freundin namens Lea. Die ist als junge Frau Hals über Kopf ausgewandert, ob nach Afrika, das weiß ich nicht. Aber ich frage mich, ob da nicht irgendetwas vorgefallen war.«
    Solveig verstummte. Die Frage kam ziemlich abrupt.
    »Hast du in letzer Zeit mit deiner Mama gesprochen?«
    Mama. Ein lustiges Wort, das sich ungewohnt anfühlte. Gleich nach der Scheidung der Eltern und Mamas Flucht in die USA hatten sie, wie auf eine stillschweigende Abmachung
hin, das Wort Mama begraben. Mama hieß jetzt seit so vielen Jahren Louise, dass sie wirklich zu Louise geworden war. Eine, mit der Inga manchmal sprach und die sie dann und wann besuchte. Da Papa beide Rollen übernommen hatte. Bis er zur anderen Seite hinübergeglitten war, wo die Großeltern schon am Ufer warteten, zwei schwarze Gestalten, wie aus einer alten Fotografie ausgeschnitten.
    »Das ist jetzt einige Wochen her. Wir sprechen nicht so oft miteinander. Zuletzt gesehen haben wir uns bei der Beerdigung. Danach war sie dann noch ein paar Tage bei mir. Es war … ja, es war schön, dass sie das getan hat.«
    »Ist sie glücklich?«
    »Ich glaube schon. Sie zieht sehr oft um, versucht aber, sich nicht allzu weit von meinen Halbgeschwistern an der Ostküste zu entfernen. Sie will das Meer in der Nähe haben.«
    »Und ihre Verwandtschaft? Diese verrückten Leute aus Norrland, die so erfrischende Ansichten über uns hatten?«
    »Wir hören viel zu selten voneinander. Ich hatte einfach nicht die Kraft, Solveig. Stell dir vor, ich sitze hier noch immer in meinem alten Schlafanzug unter dem Overall.«
    »Du hast den Schuppen aufgeräumt. Einen Brief gefunden und mich angerufen. Das reicht doch.« Solveigs Stimme klang ungewöhnlich sanft, als sie hinzufügte: »Verlang nicht so viel von dir. Trink etwas Warmes und schau dir weiter diesen Karton an. Ich würde mir ja einen kleinen Whisky gönnen. Aber es ist noch zu früh. Versprich mir, dich gut um dich zu kümmern. «
    Schweigen.
    »Übrigens, hat Harald dir mit dem Wasser geholfen?«
    »Nein, Niklas. Aber sicher hat Harald ihm alles erklärt. Er hat sich an alles erinnert, aber er sieht wohl schlecht.«
    Solveig seufzte.

    »Ja, Altwerden ist nicht lustig. Aber jung zu sein, kann auch ganz schön hart sein. Allen Kummer, alle Sorgen und alle Verluste noch vor sich zu haben. Jetzt rede ich wie die Quengeltanten von nebenan, und dabei sehe ich das Leben sonst immer so positiv. Wir haben trotz allem nur dieses eine Leben und wissen nicht, wann es endet …«
    Solveigverstummte. Dann sagt sie, mit noch sanfterer Stimme:
    »Verzeih, dass ich mich so ungeschickt ausgedrückt habe. Aber du …«
    »Mårten und ich, wir …«
    Sie konnte nicht mehr. Mit einem eiligen »bis dann«

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