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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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brauche ihn nicht. Also fuhr ich nach Göteborg und traf einen sehr sympathischen Anwalt namens Gösta Levander.
Es stellte sich heraus, dass das Testament vor langer Zeit geschrieben wurde und im Safe der Kanzlei auf Großmutters Tod gewartet hatte. Sicher hatte niemand damit gerechnet, dass sie so lange leben würde.«
    »Wann wurde das Testament denn geschrieben?«
    »1919.«
    »Meine Güte!« Ein fast neunzig Jahre altes Testament, erlassen zwei Jahre, nachdem dieser Brief aus Afrika an ihre Großmutter geschrieben wurde. Sie begriff nicht, was Großmutter Rakel mit der ganzen Angelegenheit zu tun haben sollte. Aber die Geschichte faszinierte sie.
    Sara Moréus holte einen Kerzenleuchter, offenbar aus Silber. Sie steckte eine hohe Kerze hinein und zündete sie an.
    »Der stammt auch von meiner Großmutter. Ansonsten hatte sie kein großes Interesse an Gegenständen. Aber den hier schleppte sie in alle Weltgegenden mit. Er wiegt einiges, aber sie behauptete, er bringe ihr Glück.«
    Der massive Fuß. Das Muster. So ein Leuchter stand auch im Sommerhaus.
    »Wir haben den gleichen. Auf Marstrand.«
    Sara Moréus meinte, das müsse ein Zufall sein, und erwähnte, ihre Großmutter habe oft vom Licht in der Finsternis erzählt. Ob Inga an Gott glaube.
    Was sollte sie sagen? Sie hatte vorgehabt, das Gespräch auf einem neutralen Niveau zu halten, und, wenn es sein müsste, mit einem flotten Spruch ihre Witwenschaft abzutun. Jetzt musste sie sich zusammennehmen.
    »Ich hatte wohl einen Gottesglauben, solange mein Mann lebte. Aber da hatte ich ja ihn und brauchte Gott nicht so oft. Es klingt schrecklich, aber so war das. Wir waren glücklich und darin konnte ich ruhen. Vielleicht existiert Gott und tut auch allerlei Gutes. Aber ich glaube nicht, dass er allmächtig
ist. Denn sonst hätte er Mårten nicht so jung sterben lassen.«
    »Das tut mir leid.« Sara Moréus streckte die Hand aus und streichelte kurz ihren Arm. Viele sagten das zu ihr, um sich im nächsten Atemzug dafür zu entschuldigen, dass sie diesen klischeehaften Ausdruck gewählt hatten. Sie antwortete dann immer, sie sei damit zufrieden, und meinte das auch ehrlich.
    »Danke.«
    »Darf ich fragen, wie er gestorben ist, oder willst du nicht darüber reden?«
    »Vor zwei Jahren an einem Herzinfarkt.«
    »Das muss ein Schock für dich gewesen sein.«
    »Das war es vermutlich. Zuerst wäre ich fast zusammengebrochen, aber das habe ich mir nicht erlaubt. Ich habe wie zuvor weitergearbeitet, bis ich … vor einigen Wochen eine Pause machte. Deshalb wohne ich derzeit auf Marstrand. Im Sommerhaus meiner Familie.«
    »Besitzt ihr das schon lange?«
    »Meine Großeltern haben das Haus noch während des Krieges gekauft, etwa 1917. Sie hatten es wohl von einem Verwandten meines Großvaters. Sie wohnten einige Zeit da, dann nutzten sie es nur noch als Sommerhaus. Gemeinsam mit der restlichen Familie.«
    »Marstrand ist schön. Ich war einmal da, aber das ist lange her.«
    »Du musst irgendwann einmal zu Besuch kommen.« Sie hatte den Faden verloren. »Du wirkst ungeheuer stark. Ich weiß nicht, ob ich das so könnte. Es ist mir peinlich, aber ich war etwas misstrauisch, als du angerufen hast.«
    »Ich war immer schon ziemlich gut darin, die Fassade zu wahren. Meine Galeristin hatte versucht, mir etwas Ähnliches zu sagen, unmittelbar ehe Mårten… ehe ich die Nachricht erhielt.
Meine Bilder seien zu perfekt. Wie ich. Oder genauer gesagt, wie ich gesehen wurde. Das hat bei anderen Neid bewirkt. Und ich habe mich nicht gewehrt.«
    »Großmutter hat immer gesagt, dass manche Menschen mit einer Art inneren Güte geboren werden. Deshalb ziehen sie manchmal Neid und Bitterkeit auf sich, erfahren aber auch sehr viel Freude.«
    »Das wäre wirklich übertrieben. Ich weiß nicht, ob ich ein besonders guter Mensch bin oder je war.«
    »Deine Güte reicht sicher aus. Und deinen Mann hast du doch offenbar geliebt. Das sehe ich deinen Augen an. Ich hoffe, auch einmal so etwas erleben zu dürfen. Ich habe gerade den dritten Kerl an die Luft gesetzt, und jetzt werde ich die Tür nicht mehr so schnell aufmachen. Ich habe es satt, mit Männern zusammen zu sein, die gern mitfahren, wenn es gut geht, aber beim ersten Problem abspringen.«
    Es war seltsam, wie zwischen Fremden bisweilen Nähe entstehen kann. Eine Begegnung im Zugabteil, wo zwei Menschen über ihre Weltsicht reden. Ganz zu schweigen von Krankenhäusern. Was hatte sie nach Peters Geburt nicht alles mit ihrer Zimmernachbarin

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