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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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besonderes Kennzeichen. Eine Narbe, die vom Mundwinkel her nach oben zeigte.«
    Sie hatte nach einem Zusammenhang gesucht und war sich dabei albern vorgekommen. Aber hier war er.
    »Mein Großvater hatte so eine Wunde. Vom Mundwinkel nach oben. Er hieß Jakob Edgren.«
    Gösta Levander schüttelte langsam den Kopf.
    »Der Verschwundene hieß Anton Dahlström. Oder Anton Rosell, er benutzte auch diesen Namen. Ich habe heute Morgen unsere alten Unterlagen durchgesehen, sie sind sehr alt, möchte ich hinzufügen, und eine entsprechende Notiz gefunden. Die Familie Otto hatte mit der Sache eigentlich nichts zu tun, aber Ruben wurde zur Vernehmung bestellt und ließ sich von einem unserer Juristen begleiten. Ruben stand unter keinerlei Verdacht, aber die Behörden sprachen mit möglichst vielen. Umsonst, da der Fall niemals geklärt wurde. Ich glaube auch nicht, dass er als Verbrechen eingestuft wurde. Die Anzeige kam von unbekannter Seite. Möglich, dass dieser Anton Dahlström oder Rosell ganz einfach das Land verlassen hat, ohne sich von irgendwem zu verabschieden. Er war bei der Polizei wie gesagt aktenkundig, aber ich weiß nicht, warum. Darüber liegen uns keine Auskünfte vor.«
    »Wenn Ruben eine Beziehung zu Anton hatte …«
    »Gerüchte und Klatsch, wie gesagt. Aber vielleicht hatte Carl Otto so weit wie möglich Verständnis für seinen Sohn gezeigt. Bis dieser mit einem Mädchen verschwand, auf das der Vater ebenfalls ein Auge geworfen hatte. Möglicherweise hat Ruben sein Zuhause nicht freiwillig verlassen. Vielleicht wurde er dazu gezwungen.«
    Nach dieser Bemerkung stand Gösta Levander auf. Er reichte
ihr eine Visitenkarte und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass sie diese Information mit derselben Diskretion behandeln würde, mit der sie sie bekommen hatte. Immerhin lägen diese Geschehnisse mehr als neunzig Jahre zurück. Zum Glück sei die Familie Levander immer klug genug gewesen, in ihrer Kanzlei pflichtbewusste Archivare zu beschäftigen. Dann wünschte er ihr alles Gute und bat sie eindringlich, ihn auf dem Laufenden zu halten. Über bevorstehende Ausstellungen.
     
    Die Pfützen auf dem Bürgersteig erschwerten das Gehen. Niklas lief in ungleichem Schritt neben ihr. Sie bemühte sich, ihn nicht auf die Straße abzudrängen. Gerade hatte sie ihm erzählt, was sie von Anwalt Levander erfahren hatte. Dass Carl Otto sich in Lea verliebt hatte. Dass der Sohn des Hauses, Ruben Otto, vielleicht homosexuell war, dass er aber trotzdem mit Lea durchgebrannt war. Dass Carl Otto Leas Kind Geld hinterlassen hatte. Dass Ruben vor seinem Verschwinden mit Lea vielleicht eine Beziehung zu einem gewissen Anton mit einer Narbe im Gesicht gehabt hatte. Genau wie ihr Großvater Jakob. Und dass dieser Anton auf Marstrand verschwunden war.
    Niklas schüttelte den Kopf und meinte, da habe sie ja einen Stock in einen Ameisenhaufen voller alter Familiengeheimnisse gebohrt. Er konnte keine Erklärung für diese Geschichte des Mannes mit der Narbe finden, der aussah wie Ingas Großvater. Falls dieser Anton nicht gar sein eigenes Verschwinden inszeniert und sich einen neuen Vornamen zugelegt hatte. Jakob, zum Beispiel.
    »Ich habe nie etwas davon gehört, dass mein Großvater bei den Behörden aktenkundig gewesen sein soll. Er war doch Pastor.«
    »Einen Talar zu tragen bedeutet nicht, untadelig zu sein. Übrigens muss man kein Verbrechen begangen haben, um den Behörden bekannt zu sein.«

    Unter Niklas’ Regenschirm dachte sie daran, wie geschockt sie gewesen war, als ihr Sara Moréus die Fotos ihrer Großmutter und ihres Vaters Stig gezeigt hatte. Zuerst war sie überzeugt gewesen, ihren Onkel Ivar vor sich zu haben. Dann hatte sie die Unterschiede entdeckt. Sara Moréus’ Vater hatte einen dunkleren Teint und eine expressivere Nase. Aber die Ähnlichkeit war umwerfend, genau wie die zwischen ihrer eigenen Großmutter und Lea. Natürlich konnte das erklären, warum sich auch die Söhne von Rakel und Lea glichen. Die beiden schienen fast gleichzeitig ihre Kinder bekommen zu haben, und auch das konnte zur Erklärung beitragen. »Kinder ihrer Zeit«, lautete Niklas’ Kommentar.
    Niklas hatte sie erwartet, als sie von ihrem bei Besuch bei Sara Moréus in Malmö zurückkam. Er sah nicht so recht den Sinn dieser Reise, hörte sich aber an, was sie zu erzählen hatte. Er akzeptierte ihre vage Behauptung, diese Geschichte könne vielleicht ›dazu beitragen, dass es mir besser geht.‹ Er bot an, sie am nächsten Tag nach

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