Der geheime Name: Roman (German Edition)
vereist. Die Rotte war erst vor kurzer Zeit hier vorbeigekommen.
Das gierige Gefühl verwandelte sich, suchte sich ein neues Ziel, eines, das er jagen durfte, das endlich seinen Hunger stillen würde. Hastig streifte er die Kleidung von seinem Körper, damit ihm kein fremder Geruch anhaftete und um zu verhindern, dass das Blut sie besudelte. Nur die Unterhose, das T-Shirt und die Stiefel behielt er an, weil die Kälte ihm plötzlich viel zu hart erschien. Schließlich zog er das Wurfmesser aus seinem Gürtel und rannte mit leisen Schritten los, um die Rotte zu verfolgen. Das Blut rauschte durch seine Ohren, und er hoffte darauf, dass die Tiere seinen Tarnkreis noch nicht verlassen hatten. Doch schon kurz darauf sah er sie zwischen den Bäumen, einen großen Familienverband aus Bachen und Jungtieren, die mit ihren Rüsseln im Schnee wühlten.
Der Wind stand gut, und die Wildschweine schienen ihn nicht zu bemerken, während er in der Deckung der Bäume näher schlich.
Mora durchdachte seine Strategie. Er wäre nicht schnell genug, um sie zu hetzen und eines der Tiere von der Rotte zu trennen, wie der Herr es tun würde. Er konnte sich nur anschleichen und den Überraschungsmoment nutzen.
Schließlich suchte er sich das Jungtier, das ihm am nächsten stand, einen großen Frischling aus dem letzten Frühjahr, der neben einer Baumwurzel nach Eicheln suchte. Mora duckte sich hinter die Bäume und schlich sich entgegen der Windrichtung weiter an. Er hielt sein Wurfmesser bereit und erreichte tatsächlich die Buche, hinter der das Tier herumwühlte. Er war ein guter Messerwerfer. Seit er ein kleines Kind war, hatte der Herr ihn die Fähigkeit trainieren lassen. Wenn sie gemeinsam jagten, hetzte der Geheime die Herde, trennte ein schwaches Individuum von den anderen, und Mora lauerte im Hinterhalt und warf im richtigen Moment das Messer. Seine Würfe waren nicht immer tödlich, aber er wusste, auf welche Muskeln er zielen musste, um ein kleines oder mittelgroßes Tier zu Fall zu bringen.
Mora überlegte, wie er den Frischling erreichen konnte. Aus Sicht seines Wurfarmes befand sich das Tier in der Deckung des Baumes. Abgesehen davon konnte Mora es aus dieser Position nicht sehen. Er musste noch weiter um den Stamm herumschleichen, um zielen und werfen zu können.
Etwas knackte unter Moras Schuhen, etwas, das unter der Schneedecke verborgen war. Der Frischling quiekte auf und galoppierte los. Die Wildschweine warfen ihre Köpfe herum, erkannten die Gefahr und sprangen gemeinsam durch das Unterholz davon.
Mora wollte ihnen nachsetzen, wollte wenigstens versuchen, ein schwaches Tier einzuholen.
Ein wütendes Grunzen ließ ihn den Kopf zur Seite wenden. Dort stand ein Keiler und starrte ihn an, setzte sich in Bewegung und galoppierte auf ihn zu.
Mora hob das Messer in Wurfposition, entschied sich im letzten Moment anders und streckte ihm das Messer entgegen. Als der Keiler ihn fast erreicht hatte, sprang er zur Seite. Die kurze Klinge schlitzte die Flanke des Tieres auf.
Der Keiler quiekte und wendete, kehrte zurück und raste umso schneller auf Mora zu. Dieses Mal stoppte das Tier ab, kurz bevor es ihn erreichte, wirbelte seinen Kopf herum und schlug seine Hauer in Moras Oberschenkel.
Mora schrie auf, seine Beine wollten nachgeben. Doch er hielt sich aufrecht, musste sich aufrecht halten, um nicht getötet zu werden.
Ein weiteres Mal griff der Keiler an, stürmte auf ihn zu und schlug mit seinem Kopf zu – fetzte seine Hauer nur knapp an Moras Hüfte vorbei. Es war ein großes Tier, mindestens fünf Jahre alt und somit ausgewachsen. Seine Hauer waren riesig und zielten mit zerstörerischer Wut auf ihn. Moras Hände zuckten, wollten das Messer werfen. Doch er hätte nur einen Wurf, nur einen Versuch. Es wäre aussichtslos, das Herz des Tieres zu treffen – und die Muskeln des Keilers waren zu kräftig, um sie mit einem Wurf zu durchtrennen.
Als Nahkampfwaffe war das Messer zu kurz, aber Mora blieb keine Wahl. Er duckte sich und hielt die Klinge vor sich. Er erwischte den Keiler am Rüssel, ritzte ihn seitlich am Kopf auf. Doch je mehr er das Tier verletzte, desto rasender wurde es, bis es mit solcher Wucht auf ihn losging, dass Mora kaum noch ausweichen konnte. Ein ums andere Mal sprang er zur Seite, immer wieder prallte der Kopf des Tieres auf seine Oberschenkel, immer wieder rissen die Hauer seine Beine auf, bis er kaum noch genug Kraft hatte, um stehen zu bleiben.
Mora strauchelte. Er durfte nicht zu Boden
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