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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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Schnee, ließ ihn zusammenfahren. Kurz darauf hörte er das schleifende Geräusch, mit dem der Geheime den Keiler auf seine Schulter lud – wenige Sekunden bevor seine Schritte davonraschelten.
    Mora hob den Kopf. Neben ihm im Schnee lag der tote Frischling.
    * * *
    Fina konnte nicht aufhören zu heulen. Schon seit einer Ewigkeit starrte sie auf die Verriegelung der Tür, die sie hastig verschlossen hatte. Sie lauschte auf alle Geräusche von draußen. Bei jedem Knacken zuckte sie zusammen, bei jedem Trappeln und Keuchen fragte sie sich, ob es Tiere waren oder Moras Herr. Sie wollte ergründen, ob Mora noch dort draußen war – aber die meiste Zeit über war es so still, als wäre keine Menschenseele in der Nähe.
    Wohin war er gegangen? Was, wenn sein Herr ihn gefangen genommen hatte? Wenn er Mora verletzt hatte? Fina hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, wenn er nicht wiederkäme. Jederzeit fürchtete sie, dass die unsichtbare Kreatur auftauchte, um sie mitzunehmen.
    Manchmal war sie kurz davor zu schreien. Sie wollte aus Leibeskräften nach Mora rufen – und gleichzeitig fürchtete sie nichts mehr als seine Rückkehr.
    Also schwieg sie und rollte sich ganz klein auf ihrem Lager zusammen. Moras Berührung pulsierte noch in ihrem Körper, in ihrer Erinnerung erlebte sie den Moment immer wieder. Er hatte sie an sich gezogen, hatte sie umarmt. Sie konnte noch fühlen, wie sich seine Zunge an ihrer bewegte. Sein leises Keuchen hatte schön geklungen. Wenn sie nur daran dachte, zog sich alles in ihrem Inneren zusammen. Er wollte sie auch – und trotzdem stieß er sie zurück.
    »Warum, Mora?«, flüsterte Fina in ihr Fell. »Warum bist du weggelaufen?« Sie drehte sich wieder zur Tür, starrte auf die Holzbalken. Vielleicht sollte sie nach draußen gehen und nach ihm suchen. Sie müsste nur seinen Spuren im Schnee folgen.
    Plötzlich hörte sie Schritte, die sich näherten. Gleichmäßige Schritte, in ruhigem Zweitakt, wie von einem Menschen. Sie hielten vor der Höhle, warfen etwas Schweres auf den Boden und bewegten sich auf engem Raum hin und her.
    »Mora?«, flüsterte Fina. Sie wagte es nicht, nach ihm zu rufen. Was, wenn es doch sein Herr war? Wenn die Kreatur dort oben auf sie lauerte?
    Ein seltsames Wetzen und Streichen erklang von draußen. Geräusche von einer schnellen, schleifenden Bewegung, die sich in regelmäßigem Takt wiederholte. Etwas Metallisches klang darin und formte das Bild eines schneidenden Messers vor Finas Augen.
    Falls es Mora war … Warum kam er nicht wenigstens kurz herein? Warum sagte er ihr nicht, dass er es war? Er musste sehr wütend sein, wenn ihm deshalb alles gleichgültig wurde, worum er zuvor gekämpft hatte. Er hatte um sie gekämpft, um ihre Sicherheit, um ihr Überleben – und vielleicht auch ein bisschen um seine eigene Existenz.
    Alles das setzte er dort draußen aufs Spiel.
    Vielleicht war er auch längst tot. Etwas Schweres war dort oben auf den Boden gefallen. Was, wenn Moras Herr gerade seine Leiche in Stücke zerlegte?
    Der Gedanke trieb neue Tränen in ihre Augen, lähmte sie kurzzeitig und hielt sie gefangen.
    Gleich darauf war ihr alles egal. Sie sprang auf und lief zur Tür. Falls Mora wirklich tot war, könnte sein Herr ohnehin über sie verfügen. Dann gäbe es niemanden mehr, der ihr helfen würde – abgesehen von ihr selbst.
    Fina kroch in den Tunnel und machte sich darauf gefasst, etwas Furchtbares zu sehen. Wenn Mora tot war, würde sie fliehen. Wenigstens das würde sie versuchen, auch wenn sein Herr sie ins Moor jagte.
    Ihre Muskeln fühlten sich weich an, als sie den Kopf aus dem Erdloch streckte.
    Nicht weit von ihr entfernt stand Mora. Schwaches Mondlicht fiel durch die kahlen Zweige und brachte das Blut auf seinem Körper zum Schimmern. In breiten, nassen Schlieren tränkte es sein T-Shirt, zog sich über seine nackten Arme und Beine und sprenkelte sein Gesicht. Vor ihm im Baum hing ein totes Tier mit aufgeschnittenem Bauch. Darunter im Schnee glänzten seine Eingeweide.
    Mit schnellen Bewegungen zog Mora das Messer unter der Haut des Tieres entlang, löste sein Fell ab und trennte mit einem einzigen wütenden Streich den Kopf von seinem Rumpf.
    Fina zuckte zusammen. Der kleine Wildschweinschädel landete vor ihr auf dem Boden und glotzte sie an. Ein Wimmern kroch aus ihrem Mund.
    Mora fuhr herum, starrte sie an. Seine Miene wirkte wild, so wütend, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Seine Brust bewegte sich in schnellem Rhythmus auf und

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