Der Geheime Orden
Hölle.« Sie gab mir den Ordner, den sie dabei hatte. »Hier ist der Artikel aus dem Indy.«
Ich setzte mich auf den nächstbesten Tisch und begann zu lesen.
The Harvard Independent 14. Januar 1972
Eine Nacht der Stars
Letzte Woche erlebten wir die Rückkehr vieler berühmter Alumni nach Cambridge. Sie nahmen an einer Veranstaltung teil, die vielfach für eine Spendengala des Harvard College Fund gehalten wurde, bei der es sich jedoch um das 75-jährige Jubiläum des Delphic Clubs handelte, eines der ältesten und angesehensten endgültigen Clubs von Harvard. Während Einzelheiten des Ereignisses ganz im Sinne der großen Tradition des Clubs geheimgehalten wurden, gelangte der Indy in den Besitz einer Kopie der Gästeliste.
An der Spitze des Abends stand Seine Hoheit Prinz Aga Khan, Oberhaupt der Ismailiten und ein 1959er Absolvent der Universität. Neben ihm wohnten Schauspieler Jack Lemmon und Nels Rockefeller einem feierlichen Abend bei, der dem Stiftungskapital des Clubs, das gerüchteweise auf über fünfzehn Millionen Dollar geschätzt wird, einiges hinzugefügt haben dürfte.
Zeremonienmeister des Abends war der Pressemogul Collander Abbott, Abschlussjahrgang ‘06 und Vater von Erasmus Abbott. Der jüngere Abbott war in der Halloweennacht 1927 auf mysteriöse Weise verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Es gab Gerüchte, nach denen Abbott in der Nacht seines Verschwindens den Delphic Club aufgesucht haben soll, aber sowohl Vertreter des Clubs als auch die Abbotts hatten dies stets vehement dementiert. Als ehemaliger Präsident des Delphic war Collander Abbott nicht nur ein großer Förderer der Universität, er hat auch den Delphic Club durch Geldspenden und Schenkungen von Landbesitz zu einem der größten Grundeigentümer in Cambridge gemacht.
Nach dem Abendessen im oberen Ballsaal des Clubhauses wurden ehemalige und jetzige Mitglieder – außer ihren Frauen, versteht sich – zur Philharmonie chauffiert, wo sie in den nächsten zwei Stunden vom Bostoner Sinfonieorchester und den gefeiertsten Musicaldarstellern unserer Zeit unterhalten wurden. Vor dem Clubhaus in der Linden Street hatte sich eine Hand voll Demonstranten versammelt, die Schilder hochhielten und die Gäste bei ihrer Ankunft und der Abfahrt beschimpften.
»Was hältst du davon?«, fragte Stromberger, als ich wieder aufsah.
»Es ergibt keinen Sinn«, sagte ich. Ich wollte ihr nicht zu viel verraten, aber ich sagte: »Mehrere Leute wussten, dass Abbott an jenem Abend in den Delphic einbrechen wollte – warum also leugneten sie es? Und zweitens, warum wollte Abbott unbedingt in einen Club einbrechen, in dem sein Vater Mitglied war?«
Stromberger zuckte mit den Schultern. »Vielleicht so eine Vater-Sohn-Geschichte. Er könnte das Gefühl gehabt haben, etwas beweisen zu müssen.«
Das war eine Möglichkeit, aber was wollte er beweisen? »Ich verstehe das Verhalten seiner Eltern in dieser ganzen Angelegenheit nicht«, sagte ich. »Warum haben sie sich so ruhig verhalten, obwohl so viele Leute glaubten, dass das Verschwinden ihres Sohnes mit dem Club zu tun hat, in dem sein Vater Mitglied war?«
Stromberger hob die Schultern. »Vielleicht waren sie genau deswegen so ruhig. Sie hatten bereits ihre Antworten und wollten nicht, dass alle anderen sie auch erfuhren.«
»Ich frage mich, ob sein Vater immer noch lebt.«
»Das bezweifle ich«, sagte Stromberger. »Dann müsste er jetzt über hundert sein. Aber lass uns ins Alumniverzeichnis sehen.«
Stromberger zog ein paar Schubladen auf und fand ein Exemplar. Gemeinsam blätterten wir es durch und entdeckten den Eintrag für Collander Abbott. Er war 1977 gestorben. Als seine letzte bekannte Adresse war eine Anwaltskanzlei in New York namens Wilkins, Pratt and Dunn angegeben. Ich notierte mir Anschrift und Telefonnummer und dankte Stromberger für ihre Hilfe.
»Und was passiert als Nächstes?«, fragte sie.
»Ich weiß es noch nicht«, sagte ich. »Aber irgendetwas sagt mir, dass Collander Abbott mehr über das Verschwinden seines Sohnes gewusst hat, als er zugeben wollte.«
Mitch rief mich an und fragte, ob ich mit ihm zu Abend essen würde. Niemand war wegen einer disziplinarischen Maßnahme wegen seines Angriffs auf den Trainer – mittlerweile allgemein »der Haken« genannt – auf ihn zugekommen, aber er wollte trotzdem meine Ansicht zu dem Vorfall hören und meinen Rat zu der Frage, was er tun konnte, um die Sache vergessen zu machen. Der Trainer hatte
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