Der Geheime Orden
Abbott zu tun hat?«
»Ich bin mir nicht sicher. Jedes Mal, wenn ich das Gefühl habe, ich stehe kurz vor der Lösung, tauchen plötzlich zehn neue Fragen auf.«
Ich rief zweimal bei Dalton an, bevor ich zum Training musste, bekam aber nur seinen Anrufbeantworter zu hören, auf dem ich beide Male die dringende Nachricht hinterließ, er solle mich anrufen. Als ich an jenem Nachmittag den Umkleideraum betrat, waren meine Kopfschmerzen endlich abgeklungen, und auch meine Leber schien den letzten Alkohol verarbeitet zu haben. Der Trainer war in selten guter Gemütsverfassung und ließ uns die Übungen machen, die wir mochten. Nach einer Stunde durften wir selbst zwei Mannschaften bilden und für den Rest des Trainings spielen. Das machte uns alle besonders misstrauisch. Der Trainer beliebte sogar zu scherzen und mit den Jungs am Rand des Spielfelds Schattenboxen zu machen. Nachdem zwei von unseren großen Jungs sich ineinander verhakten, nahm er sogar Wetten darauf an, wer von ihnen gewonnen hätte, wenn es ernst geworden wäre.
Sein Verhalten erschien uns umso rätselhafter, als unser erstes Spiel in einer Woche gegen die Boston University bevorstand, eine Begegnung, die wir üblicherweise haushoch verloren. Wir konnten nicht begreifen, warum der Trainer ausgerechnet in einer Phase so locker und gut drauf war, in der er uns sonst bis zum Umfallen schindete, damit wir unsere Wut schließlich an der Mannschaft der Boston University ausließen.
Während einer der Trinkpausen traf ich Gielen an der Seitenlinie.
»Was ist mit dem Trainer los?«, fragte ich.
Gielen schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Es ist das erste Mal in vier Jahren, dass ich ihn so sehe. Es ist unheimlich.«
»Hat einer der Assistenztrainer etwas gesagt?«
»Nichts. Sie tun so, als wäre alles ganz normal.«
Ich schaute auf die andere Seite der Halle. Der Trainer hatte seinen Arm um Mitch gelegt. Beide lachten über irgendetwas.
»Mir gefällt das nicht«, sagte ich. »Er ist so scheißfreundlich. Das kann kein gutes Zeichen sein.«
»Ich weiß auch nicht, was ich dazu sagen soll. Lass es uns einfach nehmen, wie es kommt. Ich bin sicher, er wird uns morgen schon wieder den Arsch aufreißen.«
Der Trainer blies in seine Pfeife und warf uns eine gute halbe Stunde vor Trainingsende aus der Sporthalle. »Das war’s«, sagte er. »Ihr habt die vergangenen Wochen verdammt hart gearbeitet, Jungs. Für heute soll es mit dem Training gut sein.«
Wir standen da und glotzten uns an. Niemand rührte sich. Wir kamen uns vor wie Gefangene, die seit zwanzig Jahren im Gefängnis gehockt hatten, und eines Nachmittags kommt plötzlich der Wärter und gibt ihnen den Schlüssel zum Haupttor und sagt, dass sie gehen dürften. Statt in die Freiheit zu laufen, bleiben die Gefangenen stehen und überlegen, ob es nicht besser wäre, im Knast zu bleiben, statt einen Schuss in den Rücken zu riskieren, wenn man zum Tor läuft.
»Was steht ihr hier noch herum?«, sagte der Trainer und lachte. Er blies in die Pfeife, um uns aus unserer Erstarrung zu lösen. »Das Training ist vorbei. Geht nach Hause.«
Noch immer rührte sich niemand. Ich schaute mich nach den anderen um. Keiner wagte es, als Erster die Halle zu verlassen. Es sah alles nach einer Falle aus. Obwohl wir die Erlaubnis hatten zu gehen, würde der Erste, der das Angebot des Trainers annahm, wie ein Drückeberger aussehen.
Schließlich trat Gielen vor und sagte: »Alles in Ordnung, Trainer?«
»Klar, warum denn nicht?«, erwiderte er und zuckte mit den Schultern. Er klang, als würde er die Frage als Beleidigung auffassen.
»Ich wollte nur sicher gehen«, sagte Gielen. Dann drehte er sich zu uns um und brüllte: »Alle Mann an der verdammten Grundlinie aufstellen!«
Wir warfen uns verdutzte Blicke zu. Dann starrten wir auf Gielen, als wären ihm plötzlich drei Köpfe mit Hörnern gewachsen.
»Ihr habt mich gehört«, brüllte er. »Setzt eure Ärsche in Bewegung und stellt euch an der Grundlinie auf. Wir machen fünf Sprints, bevor wir gehen. In einer Woche haben wir ein Spiel, und wir werden uns bestimmt nicht so blamieren wie letztes Jahr. Also los.«
Langsam bewegten wir uns zur Grundlinie, während wir Gielen leise verfluchten. Der Trainer und seine Assistenten verließen das Spielfeld und begaben sich nach oben in ihre Büros, aber wir konnten sehen, wie sie uns aus ihren Fenstern beobachteten. Und ich will verdammt sein, wenn Gielen uns nicht härter rannahm, als der Trainer es jemals getan
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