Der Geheime Orden
Ich ging davon aus, dass sie eine Postgraduierte war.
»Wie kann ich dir helfen?«, fragte sie, als ich mich ihrem Tisch näherte. Ihr Lächeln war verschwunden, und sie war von ihrem Stuhl aufgestanden. Ihr Verhalten war sehr professionell.
»Ich interessiere mich für historische Unglücksfälle vor der Küste Neufundlands«, sagte ich.
»An welchen Zeitraum hast du dabei gedacht?«
»An keinen bestimmten.«
Sie nickte. »Um welche Art von Unglücksfällen handelt es sich?«
»Da bin ich mir auch nicht sicher. Ich versuche einen Mann zu finden, der im Meer vor Neufundland ertrunken ist.«
»Dann sollten wir zuerst vielleicht nach seinem Namen suchen«, sagte sie und klang ein wenig optimistischer. Sie drehte den Computerbildschirm, damit ich auch etwas sehen konnte, und bereitete sich darauf vor, meine Antwort einzutippen.
»Das ist auch ein Problem«, sagte ich und kam mir langsam wie ein Idiot vor. »Seinen Namen kenne ich auch nicht. Aber ich weiß seine Initialen.«
Ihre Schultern sanken herab. »Dann wird es fast unmöglich sein, etwas zu finden«, sagte sie. »Du hast praktisch keine Suchparameter, mit denen du arbeiten kannst.«
»Kann man nicht einfach nach Neufundland und Unfällen suchen?«
»Natürlich, aber dann bekäme man alle Unfälle zu Lande und zu Wasser. Tut mir Leid, dass ich dich das fragen muss, aber weißt du, ob es sich um einen Bootsunfall oder einen Flugzeugabsturz handelt?«
Ich senkte mein Haupt.
»Das dachte ich mir«, sagte sie. »Der beste Rat, den ich dir geben kann, ist der, die Online-Kataloge zu durchsuchen und zu sehen, was du finden kannst. Wenn mir noch etwas anderes einfällt, lass ich’s dich wissen.«
Ich setzte mich an eines der Terminals in dem kleinen Computerbereich und machte mich direkt an die Arbeit. Als ich »Neufundland« als Suchbegriff eingab, bekam ich fast zwanzig Seiten mit Büchern und Artikeln als Ergebnis, also schränkte ich die Suche ein und fügte das Wort »Unglück« hinzu, was das Ergebnis auf ein paar Seiten einschränkte. Die meisten Quellen waren Bücher, aber es gab auch ein paar kurze Artikel, die meine Aufmerksamkeit erregten.
Sturmkatastrophe fordert viele Menschenleben
Vier Schoner sinken mit Mann und Maus – Unschätzbarer Sachschaden
St. John’s, Neufundland, 28. August 1937. Zwischen dreißig und vierzig Menschenleben kostete der schwere Sturm, der am vergangenen Donnerstag über Neufundland hinwegzog, nach vorsichtigen Schätzungen. Das ist noch lange nicht die ganze Geschichte, die wir auch in den kommenden Tagen noch nicht hören werden, so gründlich hat der Orkan die Kommunikationsverbindungen zwischen den isolierten Häfen der Insel unterbrochen. Der Sturm brach ohne die üblichen Vorwarnungen über die Küste herein und traf die Fischer völlig unvorbereitet, kam er doch aus buchstäblich heiterem Himmel und tobte stundenlang mit Stärke 12 unter der glänzend strahlenden Sonne.
Täglich treffen Berichte in St. John’s ein, die von neuen Todesopfern berichten, und der Schaden für die Schifffahrt ist unermesslich.
Ich las noch drei weitere Artikel, doch nur den letzten druckte ich mir aus und nahm ihn mit nach Hause:
Vier Fischer auf den Bänken ertrunken
St. John’s, Neufundland, 8. Juli. Vier neufundländische Fischer haben auf den Bänken den Tod gefunden, wie ein Bericht vermeldet, den die Funkstation an Cape Race vom kanadischen Regierungsdampfer Anas empfangen hat. Die über Bord Gegangenen waren Charles Williams und George Robert May aus Fortune Bay vom Schoner Donald A. Creaser sowie Martin Quann aus Sagona und Randolph Macon Strawbridge aus Red Cove vom Schoner Marian Belle Wolfe. Nur Quanns Leiche konnte geborgen werden.
Die Tragödie ereignete sich am vergangenen Montag während eines Sturms aus Südost, der losbrach, kurz nachdem die Fischer auf ihren Booten das Mutterschiff verlassen hatten. Williams und May waren schon bald außer Sicht, nachdem sie in ihren Booten vom Schoner abgelegt hatten, und wurden nie wieder gesehen.
Quann und Strawbridge konnten ihre Netze erreichen, bevor der Sturm sie erfasste, und holten ihren Fang ein, als ihr Boot kenterte. Quanns Körper verfing sich im Netz und konnte geborgen werden, doch Strawbridge wurde nie wieder gesehen.
Ich betrachtete immer wieder den Namen Randolph Malcolm Strawbridge und fragte mich, ob dies die Antwort auf das Gedicht war. Er war im Meer vor Neufundland ertrunken, und seine Initialen entsprachen den Buchstaben RMS am
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