Der Geheime Orden
Bluse erschien im Türrahmen. Ich wusste sofort, dass es Ms. Garrett war. Sie und Ashley hätten problemlos als Schwestern durchgehen können.
»Wie schön, Sie endlich kennen zu lernen, Spencer«, sagte sie. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
»Danke, dass ich herkommen durfte«, sagte ich und betrat eine Wohnung, die mich sofort mit dem süßen Duft von frisch gebackenem Kuchen umhüllte. Die Zimmer waren klein, aber tadellos in Schuss. Es hingen zwar keine angestrahlten Monets oder Renoirs an den Wänden, und es gab auch keine Nischen mit Rodin-Skulpturen, aber was ich in dem kleinen Wohnzimmer sah, war sehr viel mehr wert als teure Kunstwerke. Stolz und Ehre hingen an diesen leeren Wänden, ein Zeugnis für den unbändigen Willen einer Familie, sich nicht von ihren finanziellen Einschränkungen unterkriegen zu lassen. Plötzlich dämmerte mir, dass diese Vierzimmerwohnung in vieler Hinsicht größer und beeindruckender war als viele der Herrenhäuser, die ich in den vergangenen Wochen besucht hatte. Die Garretts machten das Beste aus dem Wenigen, das sie hatten, und davor hatte ich unendlichen Respekt.
Ich verstand mich auf Anhieb mit Ms. Garrett, was eher erstaunlich war, da mir diese Elterngeschichte ansonsten überhaupt nicht lag. Ich hatte immer geglaubt, dass man sich noch viel schuldiger fühlt, wenn man die Eltern des Mädchen kennen gelernt hat, nachdem in der Beziehung zu diesem Mädchen etwas schief gegangen ist. Aber Ms. Garrett erinnerte mich an meine eigene Mutter – jung, attraktiv und sitzen gelassen mit einem Kind, das sie alleine unter widrigen finanziellen Bedingungen großziehen musste, aber voller Hoffnung, dass harte Arbeit und Gottvertrauen ihrer Familie eine bessere Zukunft bescheren würden.
Als wir schließlich hörten, wie Ashley ihren Schlüssel ins Schloss steckte, waren Ms. Garrett und ich bereits dicke Freunde geworden, und unsere kleine Überraschungsparty konnte starten. Der Schokoladenkuchen mit den zwanzig Kerzen stand in der Mitte des Küchentischs, umgeben von meinen Blumen und Geschenken. Ich versteckte mich im Wohnzimmer und wartete, während Ms. Garrett Ashley an der Tür empfing.
Ich hörte, wie sie einander begrüßten, und wenige Augenblicke später kam Ashley ins Wohnzimmer. Ich stand neben der Tür und rief »Herzlichen Glückwunsch!«, sobald ich sie gesehen hatte.
Schockiert riss sie ihre Augen auf. Ich erwartete, dass sie lachen oder lächeln würde, doch sie tat weder das eine noch das andere. Stattdessen legte sie die Stirn in tiefe Furchen und fragte: »Was machst du denn hier?«
»Es ist dein Geburtstag«, sagte ich. »Ich wollte dich überraschen.« Ich legte die Hand auf ihre Schulter, doch sie stieß sie zur Seite.
»Du hast mir nicht gesagt, dass du herkommst.«
»Wenn ich es dir gesagt hätte, wäre es ja keine Überraschung mehr gewesen.«
»Du hättest mich erst fragen sollen«, sagte sie und ließ ihre Büchertasche auf den Boden fallen. »Ich kann solche Überraschungen nicht leiden.«
Ms. Garrett stand die ganze Zeit schweigend im Türrahmen. Schließlich kam sie herein und sagte: »Ashley, Spencer hat mich gestern angerufen, und wir dachten uns, dass es nett wäre, deinen Geburtstag mal so zu feiern, wo du noch nie eine Party gehabt hast.«
»Es ist aber nicht nett«, sagte sie. »Wenn nicht alle so verdammt damit beschäftigt gewesen wären, hinter meinem Rücken irgendwelche Dinge zu planen, hätte man mich selbst vielleicht mal fragen können, wie ich meinen Geburtstag gern gefeiert hätte.«
Ich war froh, dass Ms. Garrett auch noch da war, denn es hatte mir glatt die Sprache verschlagen. Wie konnte das bloß passieren, nachdem ich mir alle Mühe gegeben hatte, diesen Augenblick unvergesslich zu machen?
»Wo ist denn deine Kinderstube, Ashley?«, sagte Ms. Garrett streng. »Geburtstag oder nicht, Spencer ist immer noch Gast in diesem Haus, und du wirst ihn auch so behandeln.«
»Das war eine schreckliche Idee«, sagte Ashley mit zusammengebissenen Zähnen. »Man geht nicht einfach in das Haus von jemandem, ohne vorher zu fragen.«
Ich fühlte mich allmählich wie jemand, dem man eine Bowlingkugel in die Magengrube geschleudert hatte. Wie konnte etwas, das einem so richtig vorkam, plötzlich so falsch werden? Ich wollte mich ins nächste Loch verkriechen und sterben.
»Ich habe Kuchen für dich in der Küche«, sagte Ms. Garrett.
»Und ich hab dir Geschenke mitgebracht«, sagte ich.
Doch Ashley stand einfach nur da, die
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