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Der Geheime Orden

Der Geheime Orden

Titel: Der Geheime Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Smith
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»Glauben Sie, dass diese Angabe korrekt war?«
    »Darauf würde ich mein Leben verwetten«, sagte Davenport voller Überzeugung. »Ein Sammler wie Jenkins würde nie ein Buch kaufen, in dem zwei Seiten fehlten, noch würde er ein solches Werk der Universität stiften. Außerdem wäre es weit besser dokumentiert, wäre das Buch bereits mit zwei fehlenden Seiten katalogisiert worden.«
    »Ich habe mir die Ausgabe von 1604 angesehen«, sagte ich. »So wie ich die Reste des fehlenden Blattes beurteile, hat es jemand mit äußerster Sorgfalt mit einem Rasiermesser herausgeschnitten, wie ein Dieb, der genau wusste, was er wollte. Die Seiten davor und danach sind völlig unbeschädigt.«
    »Das ist eine sehr genaue Beobachtung, mit der ich ganz und gar übereinstimme«, sagte Davenport. »Meine Hypothese ist, dass das Buch in unversehrtem Zustand gestiftet wurde.
    Dann hat jemand es sich angesehen, entdeckt, was auf jenen Seiten stand, und sie gestohlen. Unglücklicherweise waren unsere Bibliotheken all die Jahre sehr anfällig gegenüber Bücherdiebstählen.«
    Davenport sprach über den berüchtigten Williams-Fall, und wie er dem Mann bei verschiedenen Gelegenheiten in der Bibliothek begegnet war. Dann schilderte er den versuchten Diebstahl der Gutenbergbibel. »Und das sind nur die Fälle, die wir kennen«, sagte er. »Bei einem Gesamtbestand von über sechs Millionen Bänden sind mit Sicherheit Hunderte, wenn nicht gar Tausende erfolgreicher Diebstähle verübt worden, die unsere Sammlungen ausgedünnt haben.«
    Ich betrachtete meinen Fragenkatalog. »Das erklärt die Gelegenheit«, sagte ich, »aber mir fehlt immer noch das Motiv.«
    »Ich höre«, sagte er. Er schien unseren Wortwechsel zu genießen.
    »Es gibt sieben andere bekannte Exemplare der ersten Auflage«, sagte ich.
    »So ist es.«
    »Und jedermann kann sich die Kopie auf Mikrofilm besorgen.«
    »Ganz recht.«
    »Warum also sollte jemand ausgerechnet diese beiden Seiten stehlen, wenn woanders genau dieselben Seiten existieren?«
    »Damit sind Sie bei einer der kritischen Fragen angelangt«, sagte Davenport. »Aber Sie müssen Ihre grauen Zellen ein bisschen anstrengen.« Er tippte sich mit einem arthritischen Finger an die Schläfe. »Sie haben es schon halb geschafft. Normalerweise hat es keinen Sinn, diese Seiten zu stehlen, weil jedermann sich woanders den Text besorgen kann. Warum also stiehlt man sie trotzdem?«
    »Weil sie irgendeine zusätzliche Eigenschaft haben, die den anderen Ausgaben fehlt«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass es ein zufälliger Akt von Vandalismus war.«
    Davenport nickte bedächtig, und das gealterte Leder ächzte unter seinen zerbrechlichen Knochen. »Nein, das war ganz bestimmt nicht das Werk eines hirnlosen Vandalen«, sagte er. »Jemand muss beträchtliche Mühen auf sich genommen haben, um diese Seiten zu stehlen. Aber noch wichtiger ist, dass Sie die richtige Frage gefunden haben. Was macht diese Seiten wertvoller als die anderen?«
    »Vielleicht hat es damit zu tun, dass das Buch einst zur Privatbibliothek von König Jakob I. gehört hat«, sagte ich. »Es können nicht allzu viele Bücher auf dem Markt sein, die einmal zur Privatsammlung eines Königs gehört haben, schon gar nicht aus jener Epoche. Das allein würde das Buch sehr viel kostbarer machen.«
    »Ah, Sie fangen an nachzudenken«, sagte Davenport mit einem Lächeln. »Und man könnte vermuten, dass ein Buch aus einer privaten Bibliothek sehr viel eher private Randnotizen enthalten kann als andere.«
    Davenport lenkte behutsam meine Gedanken. »Sie wollen damit also sagen, dass die Seiten nicht wegen dem gedruckten Text gestohlen wurden, sondern weil König Jakob eigenhändige Notizen darauf hinterlassen hatte?«, fragte ich.
    Davenport musste meine Frage nicht beantworten. Ein breites Lächeln legte sich auf sein verwittertes Gesicht.
    »Und was hat er nach Ansicht der Gelehrten geschrieben?«
    »Da hat jeder seine eigene Meinung, also muss ich demütig vor Ihnen bekennen, dass meine Ansicht nur eine unter vielen ist.« Er streckte eine Hand nach einem weiteren Schluck Wasser aus. Ich beobachtete, wie sein Adamsapfel in der Kehle hüpfte und die schlaffe Haut für die paar Sekunden, die er trank, zu neuem Leben erwachte. Er stieß einen leisen, gurgelnden Laut aus, bevor er sich räusperte und mich ins Auge fasste. »Ich habe einen großen Teil meines Forscherlebens darauf verwendet, mich mit diesen zwei Seiten auseinanderzusetzen«, sagte er. »Meine erste

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