Der geheime Stern
Nachdem die beiden nun … tot sind und keine eigenen Erben haben, geht alles an den Geschwisterteil, der noch lebt.” Sie atmete tief durch. “Ich lebe noch.”
“Und dafür sollten Sie dankbar sein, Bailey. Und nicht etwa ein schlechtes Gewissen haben.”
“Ja, das sagt Cade auch. Aber wissen Sie, ich habe einmal geglaubt, dass wir eine richtige Familie sind. Nehmen Sie Platz. Ich hole die Steine.”
Er betrachtete die Instrumente in der Werkstatt, die langen Arbeitsbänke. Interessiert trat er näher, musterte die glitzernden bunten Steine und die Goldglieder. Daraus würde vermutlich eine Halskette entstehen, etwas Auffälliges, es wirkte beinahe … heidnisch.
“Ich wollte einfach wieder arbeiten”, hörte er sie hinter sich sagen. “Irgendwas tun, das mich davon abhält, mich hiermit zu beschäftigen.” Sie stellte eine gepolsterte Schachtel auf den Tisch.
“Ihr Entwurf?” Er deutete auf die Kette.
“Ja. Ich hatte das Schmuckstück schon immer im Kopf, denn zeichnen kann ich überhaupt nicht. Aber ich kann mir Dinge gut vorstellen. Ich wollte etwas für M.J. und Grace machen, um …” Seufzend setzte sie sich auf den Hocker. “Nun, sagen wir so, um zu feiern, dass wir alle am Leben sind.”
“Und das hier ist für Grace.”
“Ja.” Zufrieden lächelte sie ihn an. “Für M.J. stelle ich mir etwas Schlichteres vor. Aber das hier, das passt zu Grace.” Vorsichtig legte sie die unfertige Kette auf ein Tablett, dann schob sie die Schachtel mit den blauen Diamanten vor ihn hin. “Die Sterne von Mithra. Sie verlieren nie an Kraft. Jedes Mal wenn ich sie sehe, fühle ich mich wie betäubt.”
“Wie lange werden Sie mit ihnen arbeiten?”
“Ich hatte gerade erst angefangen, als … als ich abbrechen musste.” Sie räusperte sich. “Die Echtheit habe ich bereits untersucht. Doch sowohl das Museum als auch die Versicherung wollen eine tiefer gehende Prüfung. Ich werde noch einige Tests machen müssen. Momentan überprüft ein Metallurge die Echtheit des goldenen Dreiecks, das ich dann in ein paar Tagen zurückbekomme. Insgesamt wird es nicht länger als eine Woche dauern, bis das Museum die Diamanten wiederhat.”
Er nahm einen der Steine aus der Schachtel und wusste in der Sekunde, in der er ihn berührte, dass es sich um den handelte, den Grace bei sich getragen hatte. So ein Blödsinn, dachte er gereizt. Mein untrainiertes Auge ist gar nicht in der Lage, den einen Diamanten vom anderen zu unterscheiden!
Und doch spürte er es. Er spürte sie in diesem Stein.
“Wird es Ihnen schwerfallen, die Diamanten wieder abzugeben?”
“Ich sollte wohl Nein sagen. Aber es wird mir schwerfallen, ja.”
Graces Augen hatten dieselbe Farbe wie der Diamant. Sie waren nicht saphirblau, sondern blau wie dieser seltene, mächtige Stein.
“Da sind sie also. Steine, so wertvoll, dass man für sie tötet”, murmelte er. “Oder für sie stirbt.” Dann, verärgert über sich selbst, legte er den Stein wieder zurück in die Schachtel. “Ihre Stiefbrüder hatten einen Auftraggeber.”
“Ja, Sie haben von einem bestimmten Kunden gesprochen, und sie haben seinetwegen gestritten. Thomas wollte das Geld nehmen und einfach abhauen.”
Das Bargeld wurde momentan überprüft, aber es bestand kaum Hoffnung, dass sie herausfanden, wo es herkam.
“Timothy hat Thomas einen Narr genannt, er sagte, sie würden niemals weit genug laufen können, um ihm – dem Kunden – zu entkommen. Er wäre kein richtiger Mensch, sagte Timothy noch. Oder so etwas in der Art. Beide hatten Angst, schreckliche Angst.”
“Ihnen wuchs die Sache über den Kopf.”
“Ja, sieht so aus.”
“Es muss sich um einen Sammler handeln. Schließlich könnte man Steine wie diese niemals weiterverkaufen.” Wieder betrachtete Seth die drei Diamanten, die in ihrem Samtbett funkelten wie geheimnisvolle Sterne. “Und Ihre Firma hat viel mit Sammlern zu tun.”
“Das stimmt. Natürlich geht es normalerweise nicht um Edelsteine aus der Kategorie der Mithra-Sterne.” Gedankenverloren strich sich Bailey durchs Haar. “Kunden kommen gelegentlich mit Steinen zu uns, um sie zu verkaufen. Oder sie suchen neue für ihre Sammlung. Manchmal kaufen wir auch auf Verdacht einen Stein und haben einen speziellen Kunden im Sinn.”
“Also haben Sie eine Kundenliste, ja? Namen und Vorlieben?”
“Ja, und wir haben auch Unterlagen darüber, welcher Klient was gekauft oder verkauft hat.” Sie verschränkte die Finger ineinander. “Thomas hatte
Weitere Kostenlose Bücher