Der geheime Stern
italienischen Polizisten sprechen. Ich weiß Ihre Mühe wirklich zu schätzen.”
Mick blinzelte. Seth versäumte es zwar nie, sich bei seinen Männern für gute Arbeit zu bedanken, aber diesmal hatte echte Wärme in seinen Worten gelegen. “Klar, kein Problem. Aber Sie wissen, Lieutenant, selbst wenn Sie den Kerl mit dem Fall in Verbindung bringen können – es nutzt uns nichts. Diplomatische Immunität. Wir dürfen ihn nicht anrühren.”
“Erst mal kriegen wir ihn dran, und dann sehen wir weiter.” Seth blickte überrascht auf, als neben ihnen eine Spindtür aufgerissen wurde. Es war ein junger Polizist, der gerade seine Schicht begann. “Gehen Sie schlafen”, setzte er an, brach dann aber ab. In dem Spind hing ein Foto von Grace in jüngeren Jahren, sie lachte, und sie war nackt.
Sie hatte den Kopf zurückgeworfen und dieses verführerische Lächeln aufgesetzt, sie strahlte selbstbewusste, seidene Macht aus. Ihre Augen glitzerten, ihre Haut wirkte glatt wie polierter Marmor, das herrliche Haar fiel wasserfallartig über ihre nackten Schultern.
Mick wandte den Kopf, erblickte das Foto und zuckte zusammen. Cade Parris hatte ihm bereits von der Beziehung des Lieutenants zu Grace Fontaine erzählt – und vermutlich spielte der arme Junge, der da so albern vor sich hin pfiff, gerade mit seinem Leben.
“Äh, Lieutenant …”, begann Mick, heldenhaft entschlossen, seinem Kollegen den Kopf zu retten.
Seth hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, und schlenderte auf den Polizisten zu. Der war gerade dabei, sein Hemd zu wechseln, hielt inne und sah Seth an. “Lieutenant?”
“Bradley”, sagte Seth, ohne den Blick von dem Hochglanzfoto zu nehmen.
“Die ist schon ‘ne Nummer, was? Ein Kollege von der Tagesschicht hat mir erzählt, dass sie hier war und in echt auch so aussieht.”
“Ach was.”
“Allerdings. Ich hab das hier aus einem alten Magazin von meinem Bruder. War schon reichlich mitgenommen.”
“Bradley”, zischte Mick. Der Typ stand nur Millimeter vor dem Abgrund.
Seth unterdrückte den Wunsch, den Jungen am Kragen zu packen. Stattdessen atmete er tief durch. “Sie teilen diesen Umkleideraum mit Kolleginnen, Bradley. Das ist nicht die feine Art.” Wo war Graces Tätowierung? Wie alt war sie damals gewesen? Neunzehn, zwanzig? “Hängen Sie Ihre Kunstwerke woanders auf.”
“Jawohl, Sir.”
Seth wandte sich ab, warf aber noch einmal einen Blick über die Schulter. “Und in echt sieht sie besser aus. Viel besser.”
“Bradley”, raunte Mick, als Seth gegangen war. “Du bist gerade noch mal mit einem blauen Auge davongekommen.”
Als Seth nach Hause kam, brach bereits der Morgen an. Der Fall in Bethesda würde abgeschlossen sein, sobald der Bericht der Gerichtsmedizin vorlag. Ein sechsunddreißigjähriger Mann, gutes Auskommen als Computerprogrammierer, war vom Sofa aufgestanden, hatte seinen Revolver geladen und vier Leben innerhalb von zehn Minuten ausgelöscht.
Für dieses Verbrechen würde es zumindest auf dieser Erde keine gerechte Strafe geben.
Seth hätte zwei Stunden früher nach Hause fahren können, doch er hatte den Zeitunterschied nach Europa genutzt, um ein paar Telefonate zu erledigen, Fragen zu stellen, Informationen zu sammeln. So langsam konnte er sich ein Bild von Gregor DeVane machen.
Er war ein reicher Mann, der für sein Geld nie hatte arbeiten müssen. Einer, dem Prestige und Macht wichtig waren, der nur in den besten Kreisen verkehrte. Familie hatte er keine. Das allein ist noch kein Verbrechen, dachte Seth, als er die Tür hinter sich schloss.
Es war auch kein Verbrechen, einer schönen Frau weiße Rosen zu schicken.
Oder mit einer Frau zusammen zu sein, die irgendwann spurlos verschwand. Aber war es nicht interessant, dass DeVane auch mit einer französischen Primaballerina befreundet gewesen war, die in ihrem Pariser Haus an einer Überdosis Drogen gestorben war?
Die Polizei ging von einem gewöhnlichen Drogentod aus, doch Freunde und Verwandte bestanden darauf, dass sie niemals zuvor Drogen genommen hatte. Dazu sei sie viel zu diszipliniert mit ihrem Körper umgegangen. DeVane war verhört worden, aber nur der Ordnung halber. Er hatte zum Zeitpunkt des Todes im Weißen Haus zu Abend gegessen.
Und doch waren sowohl Seth als auch der italienische Polizist der Ansicht, dass es sich um recht faszinierende Zufälle handelte.
DeVane war ein Sammler, ein Bewunderer schöner Dinge und schöner Frauen. Ein Mann, der für einen Smaragd mit
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