Der geheime Stern
dass sie vergittert waren. Hinter den Gittern schimmerte die mondhelle Nacht, sie konnte nichts Vertrautes entdecken – eine weite Rasenfläche, akribisch gepflanzte Blumen und Büsche, hohe Bäume. Als sie sich umwandte, entdeckte sie eine weitere Tür, stürzte auf sie zu und brach beinahe in Tränen aus, als der Türknauf sich bewegte. Doch dahinter befand sich nur ein elegantes Bad, weiße Fliesen, das kleine Fenster war ebenfalls vergittert, das eckige Oberlicht befand sich mindestens drei Meter über dem Boden. Neben dem glänzenden Waschbecken standen Fläschchen, Cremes, Puderdosen, sie erkannte ihr Lieblingsparfum und ihre Lieblingskosmetik. Ihr Magen zog sich zusammen.
Lösegeld. Sie war entführt worden, von jemandem, der glaubte, ihre Familie würde für sie bezahlen.
Aber nein, sie wusste, dass das nicht stimmte. Es ging um die Diamanten. Kraftlos lehnte sie sich an den Türrahmen und presste die Lippen fest zusammen, um ein Wimmern zu unterdrücken. Sie war wegen der drei Sterne entführt worden. Sie waren das Lösegeld.
Ihre Knie zitterten, als sie zurück ins Zimmer trat. Sie befahl sich, ruhig zu werden und nachzudenken. Es musste einen Ausweg geben. Den gab es immer. Ihre Alarmanlage war losgegangen, und Seth war noch nicht lange weg gewesen. Ob er zurückgekehrt war? Was auch immer zwischen ihnen vorgefallen war, er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um sie zu finden. Und wenn es nur aus Pflichtgefühl geschah.
Bis dahin war sie auf sich allein gestellt – was aber nicht bedeutete, dass sie wehrlos war. Sie stolperte zwei Schritte zurück, als sie hörte, wie das Schloss klickte. Die Tür sprang auf, und zwei Männer traten ein. In dem einen erkannte sie sofort ihren Entführer wieder. Der andere war kleiner, drahtig und in formelles Schwarz gekleidet. Sein Gesicht wirkte steinhart.
“Ms. Fontaine”, sagte er mit britischem Akzent. “Wenn Sie mir bitte folgen wollen.”
Ein Butler. Sie musste ein hysterisches Lachen unterdrücken. Sie kannte diese Typen nur zu gut. “Weshalb?”
“Er ist jetzt bereit, Sie zu empfangen.”
Als sie sich nicht rührte, ging der größere Mann ein paar Schritte auf sie zu und zeigte mit dem Daumen zur Tür.
“Charmant”, bemerkte sie trocken. Sie ging einen Schritt nach vorn und überlegte, wie schnell sie rennen konnte. Der Butler neigte ungerührt den Kopf.
“Sie befinden sich im zweiten Stock”, erklärte er. “Selbst wenn Sie irgendwie das Erdgeschoss erreichen, dort unten stehen Wachmänner. Sie haben den Befehl, Ihnen nichts zu tun, es sei denn, es ist unvermeidbar. Bitte entschuldigen Sie, aber ich würde das an Ihrer Stelle nicht riskieren.”
Sie würde es riskieren, das und eine Menge mehr. Aber erst, wenn sie auch nur den Hauch einer Chance hatte. Sie folgte dem Butler durch einen sanft beleuchteten Korridor. Das Haus war alt, aber wunderschön restauriert. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass knapp zwei Stunden vergangen waren, Zeit genug, um mit dem Wagen eine recht lange Strecke zurückzulegen.
Nach dem Blick aus dem Fenster glaubte sie nicht, sich auf dem Land zu befinden. Sie hatte durch die Bäume hindurch die Lichter anderer Häuser gesehen. Sie musste sich in einer exklusiven, teuren Wohngegend befinden. Wo es Häuser gab, gab es Menschen. Und wo es Menschen gab, gab es Hilfe.
Sie wurde eine lange gewundene Treppe hinuntergeführt. Unten sah sie einen Wachmann stehen, die Waffe im Halfter, aber gut sichtbar.
Sie liefen einen weiteren Gang entlang. Antiquitäten und Gemälde. Ihr Auge war geschult genug, um einen Monet zu erkennen, eine Vase aus der Han-Dynastie, eine Terrakottafigur aus Nigeria.
Mein Gastgeber, dachte sie, hat einen exzellenten und vielseitigen Geschmack. Seine Schätze, kleine und große, umfassten Kontinente und Jahrhunderte, es musste sich um einen leidenschaftlichen Sammler handeln. Sie erschauerte. Jetzt hatte er sie, und er hoffte, sie gegen die drei Sterne von Mithra eintauschen zu können.
Mit absurder Formalität näherte sich der Butler einer Doppeltür, öffnete sie und verbeugte sich leicht.
“Miss Grace Fontaine.”
Nachdem ihr nichts anderes übrig blieb, trat sie durch die Tür in ein riesiges Speisezimmer mit reich verzierter Stuckdecke, von der drei umwerfende Kronleuchter hingen. Ihr Blick fiel auf einen langen Mahagonitisch mit riesigen Kerzenleuchtern in der Mitte, dann entdeckte sie einen Mann, der sich charmant lächelnd erhob.
Zwei Welten überlappten sich.
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