Der geheime Tunnel: Erotischer Krimi (Gay Erotic Mystery) (German Edition)
weg!«
»Was?«
»Der Generalschlüssel, Sir. Der Schlüssel, mit dem man sämtliche Abteile und Toiletten aufsperren kann. Ich kann ihn nicht finden.«
»Haben Sie ihn verloren?«
»Oh nein, Sir. Ich habe noch nie einen Schlüssel verloren, nicht in den 15 Jahren, die ich bei der Eisenbahngesellschaft arbeite. Er wurde gestohlen.«
Die Pfeife war zu hören, und mit jeder Menge Dampf setzten wir uns erneut in Bewegung – rückwärts.
Es blieb uns nichts übrig, als wie angewurzelt stehen zu bleiben und dem Fleck auf dem Teppich beim Wachsen zuzusehen: eine grauenhafte, scharlachrote Blume, die immer feuchter aussah und – oder bildete ich mir das nur ein? – allmählich zu riechen anfing. Wie alle Ärzte bin ich mit dem Geruch von Blut vertraut. Simmonds jedoch lehnte sich an die Wand und war furchtbar bleich im Gesicht.
»Sie müssen den Schlüssel finden, Simmonds. Was ist passiert? Wo könnten Sie ihn verloren haben?«
»Ich sagte Ihnen doch, ich habe ihn nicht verloren!« Seine Stimme war hoch, er schrie beinahe. »Jemand muss ihn an sich genommen haben.«
»Aber als der Zug ruckartig stehen blieb … ist es denn nicht möglich, dass Sie stürzten und der Schlüssel aus Ihrer Tasche fiel?«
»Er ist immer an dieser Kette befestigt.« Er zupfte eine Kette aus seiner Westentasche. »Es ist unmöglich, ihn zu verlieren. Jemand muss ihn schon von der Kette lösen … Jemand mit ziemlich langen Fingern. Aber das hätte ich doch sicher gemerkt. Außer … als wir gerade …«
»Ich kann Ihnen versichern, Simmonds, dass weder Bertrand noch ich Ihren Schlüssel anrührten, während wir dort drin waren. Wir hatten ganz andere Dinge im Sinn.«
»Aber wie kann ich Ihnen vertrauen?«
»Sie haben recht, Simmonds. Sie können niemandem vertrauen. Sie werden Ihr eigenes Urteil treffen müssen. Ich für meinen Teil weiß allerdings, dass ich ihn nicht genommen habe, und ich bin überzeugt, dass das auch auf Bertrand zutrifft.«
Er wirkte argwöhnisch. »Und wer dann? Wann? Und wieso?«
»Schaffner! Schaffner!« Wir hörten jemanden den Gang entlanglaufen, dann kam Dickinson in Sichtweite. »Um Himmels willen, was ist denn los?«
»Wir fahren zurück in den Tunnel, Sir«, sagte Simmonds und stellte sich so vor der Blutlache auf, dass Dickinson sie nicht sehen konnte. »Ich werde in Kürze eine Durchsage machen. Bitte kehren Sie in Ihr Abteil zurück.«
»Nie im Leben. Daisy braucht Champagner. Sie steht kurz vor einer Ohnmacht. Und sie braucht diese verfluchte Tunte von einem Sekretär. Er ist vermutlich im Speisewagen und amüsiert sich mit seinen Freundinnen.«
»Ja, dort ist er.«
»Herrgott, dieser unnütze Hurensohn.« Dickinson murmelte weitere Beleidigungen vor sich hin, als er an uns vorbei in den Speisewagen stürmte. Wieder roch ich seinen charakteristischen Duft, das Rasierwasser mit Zitrusnote – oder war es eine Seife? Ein frischer und männlicher Duft … Er erinnerte mich an blonde Haare und harte Gesichtszüge …
»Was soll ich nur tun, Mr. Mitchell?«, jammerte Simmonds. »Wenn die Fahrgäste der ersten Klasse das hier sehen, bricht eine Panik aus.«
»Ich bin so schnell wie möglich wieder da. Ich werde alle im Zaum halten. Vertrauen Sie mir, Simmonds.« Ich legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte sie. Vielleicht war er unterm Strich gar kein so übler Bursche.
In der Tür zum Speisewagen gab es ein Handgemenge: Dickinson versuchte Frankie Laking zurück ins Abteil zu zerren und gleichzeitig eine Flasche Champagner aus einem Eiskübel auf dem Tisch zu ergattern. Lady Antonia gab wie immer lautstark ihr Missfallen kund, der Kellner wrang verzweifelt ein Handtuch aus, und die Familie Andrews starrte aus dem Fenster, als wäre nichts geschehen. Frankie stürzte durch die Tür und rannte mich beinahe um, dann hüpfte er johlend über den Gang zum Privatabteil von Hugo und Daisy. Dickinson war ihm dicht auf den Fersen.
»Lass die Hände von mir, du brutaler Kerl! Ich bin Jungfrau!«
»Halt dein Maul, du dumme Schwuchtel.«
»Meine Damen und Herren«, verkündete ich, »wir fahren derzeit in den Tunnel zurück, weil es ein Problem mit der vor uns liegenden Weiche gibt. Man hat mich beauftragt, Sie zu bitten, auf Ihren Plätzen zu bleiben, sollte es – hoppla! Heiliger Strohsack!«
Dieses Mal schlingerten wir seitwärts. Ich fiel auf Bertrand und kippte ihm dabei den eisgefüllten Weinkühler in den Schoß.
Die Kinder flennten nun um die Wette; Mrs. Andrews versuchte sie zu
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