Der geheime Tunnel: Erotischer Krimi (Gay Erotic Mystery) (German Edition)
eingeladen; seine Schwester hatte sich mit ihrer Familie angekündigt, und er hielt es für eine tolle Idee, wenn wir zu ihnen stießen. Die Frauen verstanden sich großartig, und die Kinder tobten ausgelassen durch den Garten. David und ich gingen reiten, spielten Tennis und blieben lange auf, um Whiskey zu trinken und aus dem Leben zu plaudern. In der ersten Nacht waren wir beide wohl etwas betrunken, und wir verrieten mehr als gewollt über unsere Gefühle füreinander. Ehe ich mich versah, lagen wir uns in den Armen und küssten uns wie Frischverliebte. Er riss sich los, nicht ich. Er stand auf und ging ans andere Ende des Raumes; er murmelte, dass er am nächsten Morgen früh aufstehen müsse, und dann wünschten wir uns eine gute Nacht, als sei nichts geschehen. Ich lag bis zum Morgengrauen wach und dachte an ihn. Ich konnte das Feuer, das er entzündet hatte, nicht mehr löschen.
Beim Frühstück muss ich wie der wandelnde Tod ausgesehen haben, und um die Wahrheit zu sagen, sah er nicht viel besser aus. Die Damen machten bissige Bemerkungen über unsere Whiskeyfahnen und dergleichen. Wir spielten mit, aber wir konnten uns nicht in die Augen sehen. Den ganzen Vormittag war er außer Haus, weil er seinen Grundstücksverwalter sprechen musste, wie er sagte. Aber am Nachmittag waren wir zum Tennis verabredet, während die Frauen und Kinder im Park von Richmond spazieren gehen wollten, und da er das Spiel nicht abgesagt hatte, ging ich davon aus, dass wir uns dann wiedersehen würden.«
»Und da geschah es?«
»Ja. Wir spielten beide furchtbar schlecht, schlugen den Ball aus dem Spielfeld, achteten nicht auf die Punktzahl. Wir gaben beide dem Whiskey die Schuld an unserer Konzentrationsschwäche. Nach ungefähr einer halben Stunde gaben wir es schließlich auf und gingen ins Haus. Wir waren allein. Er sagte, er fühle sich verschwitzt und wolle baden und dass ich mich ihm gern anschließen könne, wenn ich wollte.
Wir nahmen drei Stufen auf einmal und waren in null Komma nichts im Bad. Sobald die Tür verriegelt war, rissen wir uns die Kleider vom Leib und küssten uns wie am Abend zuvor – nur gab es diesmal keine Zurückhaltung mehr. Bald waren wir beide nackt, pressten unsere Leiber aneinander, ließen unseren Händen freien Lauf. Ich war noch nie auf diese Weise mit einem Mann zusammen gewesen und wusste doch ganz genau, was ich tun musste. Es war wie in einem dieser Träume, wo man glaubt, ein Konzertpianist oder Balletttänzer zu sein: Die richtigen Bewegungen kommen von ganz allein, ohne dass man darüber nachdenkt.«
»Also hatten Sie mit ihm Geschlechtsverkehr«, sagte Dickinson mit der kalten Stimme eines Gerichtsmediziners, als würde er vor Gericht eine Anklage vorbringen.
»Was?« Andrews wirkte wie aus einem Traum erwacht, und er schien wenig erfreut zu sein, sich wiederzufinden in einem Zug, der in einem Tunnel feststeckte, mit zwei Fremden, die ihn ausquetschten. »Ja. Was sonst, glauben Sie, will ich Ihnen gerade mitteilen?«
»Was genau haben Sie getan?«
»Ist das von Belang?«
»Auf jeden Fall.« Dickinson zwinkerte mir unbemerkt zu.
»Ich weiß nicht, wie ich das in Worte fassen soll; wir machten das, was … diese Art von Menschen üblicherweise tut. Üblicherweise! Wie sachlich das klingt. Aber damals kam es mir vor, als würden wir fliegen. Wir nahmen uns auf jede nur erdenkliche Art und Weise. Gott sei Dank war niemand im Haus, sonst hätte man unsere Schreie gehört und sich gefragt, was da los sei.«
»Haben Sie Analverkehr getrieben?«
Andrews wurde allmählich ärgerlich; der aufrechte Familienvater übernahm wieder die Kontrolle. »Ja, das taten wir. Dafür werden Sie mich wohl jetzt verhaften.«
»Oh nein, es besteht kein Anlass für derlei Unannehmlichkeiten.« Dickinson leckte sich die Lippen – so stellte ich mir einen Wolf vor, der gleich ein Lamm verschlingt. »Ich bin überzeugt, wir können –«
Ich erfuhr nie, was er vorschlagen wollte, denn in ebendiesem Moment fuhr der Zug wieder an. Dieses Mal sogar nach vorne, dem Himmel sei Dank, gen Süden, gen London, und vor allem endlich aus diesem Tunnel heraus. Es gab keine heftigen Rucke und Stöße mehr, nur ein leichtes Schaukeln, aber was war das schon im Vergleich mit dem gesegneten Licht des Tages! Zwar war dieser Tag nie besonders hell gewesen, und es dämmerte bereits, doch das wenige Licht wurde immerhin vom Schnee reflektiert. Im Tageslicht schien auch Andrews sich zu erholen. Er stand auf, räusperte sich
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