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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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Sprung darüber an. Er sprang, landete, wurde von seinem eigenen Schwung umgerissen und fiel. Eine Sekunde lang hoffte sie, aber schon war er wieder auf den Beinen und nur noch zwei Schritt entfernt. Und dann – unglaublich, wie durch Zauberhand – blieb er stehen.
    Er bleibt stehen, dachte Sheila – und lief so nahe an ihm vorbei, daß er sie beinahe hätte fassen können. Es sah lächerlich aus, aber offenbar war er auf den Schienen ausgerutscht und mit dem Absatz zwischen ihnen hängengeblieben. Ein Wunder, dachte sie, und im selben Augenblick stürzte sie selbst.
    Sie lag im Schlamm, außer Atem, mit einem stechenden Schmerz in der Schulter, wo sie gegen etwas Hartes, Kantiges geschlagen war. Stimmen kamen aus verschiedenen Richtungen; gleich würden sie sich alle zusammen auf sie werfen. Etwas bewegte sich: ein Stück Metall, daß sie von wo sie lag gerade noch im Augenwinkel sehen konnte und das dann verschwand. Aber sogleich erschien ein zweites. Was sie sah, war ein Rad, das sich langsam, wie im Zeitlupentempo, drehte.
    Es war der vordere der beiden Güterwagen, der langsam anrollte, während sie noch neben den Gleisen lag und nach Atem rang. Das mußte die Erklärung für den Schmerz in der Schulter sein – sie hatte, als sie dagegenschlug, die primitive Handbremse, mit der solche Wagen ausgestattet waren, gelöst. Instinktiv begriff Sheila, daß das ihre Rettung war, raffte sich auf und kletterte hinein.
    Sie konnte wieder einen Gedanken fassen, und auch ihr Blick, der nach dem Sturz verschwommen gewesen war, wurde klarer. Es war ein geschlossener Güterwagen, leer, und nur auf der Seite, durch die sie hineingeklettert war, stand die große Tür offen. Durch diese Tür sah sie die Schuppenwand langsam, ganz langsam, vorbeiziehen. Es konnte gut sein, daß der Plan nicht aufging, daß etwa eine Weiche den Wagen stoppte, bevor er auf die lange, sanft abfallende Hauptstrecke kam. Bis jetzt krochen sie nur; sie überlegte, ob es eine Formel gab, mit der man berechnen konnte, in welchem Verhältnis zu Gewicht und Winkel ein rollender Körper sich auf einer geneigten Fläche beschleunigte. Aber das war ein akademischer Gedanke – denn jetzt kam ein Mann hereingeklettert.
    Ein Mann kam hereingeklettert; er sah sie ruhig an, ohne Bosheit, ohne Erregung – er hätte ein Händler sein können, der ihr gleich Käse oder Seife anbieten würde. Sie sah die Falten um seine Augen, sie sah seine durchnäßten Kleider, sie spürte, daß sie instinktiv das einzige Objekt im Waggon – die einzige Waffe – gegriffen hatte. Es war ein Fahrrad. Jetzt war er schon mit beiden Ellbogen und einem Fuß im Wagen. Sie holte weit mit ihrem viel zu großen Geschoß aus und schleuderte es ihm entgegen. Das Fahrrad verschwand aus dem Wagen. Der gleichmütige, geschäftsmäßige Mann lag zusammengesunken an der Tür.
    Ein guter Schuß, dachte Sheila – aber gewiß war er nur vorübergehend außer Gefecht gesetzt. Sie überlegte noch, was sie mit ihm machen sollte, als schon der nächste Mann erschien. Der Wagen war inzwischen auf das Tempo eines leichten Galopps gekommen, und dieser Mann stand bereit aufzuspringen, wenn er vorüberkam. Wieder stand er in aller Seelenruhe da – vor allem das gab den Geschehnissen das Gefühl eines Alptraums. Er sprang und stand in der Tür. Und diesmal hatte sie keine Waffe. Es gab nichts mehr im Wagen, was sie als Waffe gegen diesen Mann verwenden konnte – es sei denn den anderen Mann. Und der andere saß inzwischen wieder auf Händen und Knien, benommen und unsicher. Sheila hätte gern die Augen geschlossen, aber mit großer Willensanstrengung hielt sie sie offen. Sie hielt sie offen und versetzte dem Mann einen Tritt unter das Kinn. Sie hörte zwei Schreie. Sie war allein im Waggon.
    Und ihr war übel. Aber das war eine Entspannung, die sie sich nicht gönnen durfte. Sie lehnte sich zur Tür hinaus und blickte nach vorn. Der Wagen fuhr gleichmäßig, gewann aber kaum an Tempo. Entlang der Strecke standen noch mehrere Männer, wobei der vorderste ihr alter Bekannter Dousterswivel zu sein schien; die anderen waren nur drohende Umrisse im strömenden Regen. Mehr Männer. Und sie zweifelte, ob sie es noch mit vielen aufnehmen konnte. Für Frauen, dachte sie, waren solche Unternehmungen eine Tour de force. Ein idiotischer Ausdruck; sie versuchte zu grinsen, aber davon wurde ihr nur noch mehr übel. Sheila stützte sich an der Seitenwand ab – und die Seitenwand geriet in Bewegung. Eine Tür. So

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