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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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einfach war das. Eine massive Schiebetür. Sie stemmte sich dagegen und schob sie zu, und in dem Dunkel, nur durch einige wenige Lüftungsschlitze erhellt, fühlte sie sich mit einem Male sicher. Sie hörte einen Ruf oder zwei und spürte gleich darauf die Räder unter sich schneller laufen. Ihr Leben hing von dem Gefälle ab, das die Strecke, über die diese Räder nun rollten, bekam. Trotzdem fühlte sie sich beinahe geborgen; nur furchtbar übel war ihr immer noch. Sie preßte die Hände an den Bauch und spürte etwas Hartes. Es war in ihrer Tasche: die kleine Pistole. In all den hektischen Minuten hatte sie überhaupt nicht mehr daran gedacht. Sie hatte ein Fahrrad und einen Menschenkörper als Waffe genommen. Sie setzte sich auf den ruckelnden Wagenboden und lachte laut. Und diesmal fühlte sie sich erleichtert.
    In Großbritannien ist die Standard-Eisenbahnschiene sechzig Fuß lang. Sheila erwog diese Information, die aus alter Lektüre des Großen Buchs der Eisenbahnen stammen mußte, und erklärte sie für verläßlich. Jedesmal wenn das rasche doppelte Klicken der Räder zu hören war, hatte sie also knapp zwanzig Meter zurückgelegt – etwa die Länge eines Tennisplatzes. Sie horchte. Klack-klack … klack-klack. Sie stellte sich vor, wie sie im Automobil an einem Tennisplatz vorbeifuhr. Der Wagen, schätzte sie, fuhr inzwischen mit einem achtbaren Tempo von dreißig Kilometern die Stunde.
    Der Wagen rollte, es war ihr gelungen, an der Tür von innen einen Riegel vorzuschieben, und damit war er so gut wie ein Panzerwagen. Aber trotzdem hieß das nicht, daß sie ihren Verfolgern entkommen war. Jenes sehr geländegängig aussehende sechsrädrige Fahrzeug konnte womöglich an der Strecke entlangfahren, bis das Gefälle nachließ. Oder ihre Verfolger, einer oder mehrere, hingen wie Napfschnecken außen an dem Waggon. In diesem Falle, dachte Sheila – und merkte, wie etwas in ihrem Kopf an Tempo verlor.
    Klack-klack … klack-klack. Der Wagen wurde langsamer; er war vielleicht anderthalb Kilometer gefahren, und nun lief er aus, doch ganz allmählich, als sei er auf eine vollkommen ebene Strecke gekommen. Sie kam zu dem Schluß, daß sie die Schnecken riskieren und die Tür öffnen und nachsehen mußte. Also nahm sie die Pistole in die rechte Hand, löste mit der linken den Riegel und zog. Die Tür rührte sich nicht, sie saß fest; panisch kam ihr der Gedanke, daß sie von außen verschlossen und sie von neuem gefangen war. Aber dann sah sie, daß es eine harmlosere Erklärung gab: eine lange Eisenstange hatte sich dazwischengeklemmt, ohne daß sie es bemerkt hatte. Sie schob sie fort und zog noch einmal. Die Tür öffnete sich ohne weiteres. Sie blickte hinaus und sah einen Bergbach hundert Meter unter sich.
    Eine Brücke. Sie ging zur anderen Seite des Waggons und öffnete die dortige Tür. Derselbe Ausblick: Felsen und stürzendes Wasser in schwindelerregender Tiefe. Die einspurige Strekke wurde hier von einem unsichtbaren Bogen über eine tiefe Schlucht geführt, deren steile Abhänge an beiden Seiten zu sehen waren. Sie blickte zurück: die Strecke, die sie gekommen war, lief über Hunderte von Metern gerade und eben, bevor sie um eine Kurve verschwand. Sie blickte nach vorn: unmittelbar hinter der Brücke ging es anscheinend wieder leicht bergab, weiter in gerader Linie.
    Für jemand Bewaffneten war es eine Stellung, die sich gut verteidigen ließ. Noch besser wäre es allerdings gewesen, wäre der Wagen noch das Dutzend Meter weitergefahren, das ihn zum nächsten abschüssigen Stück gebracht hätte: kein Fahrzeug konnte über diese Schlucht kommen, und noch ein paar Meilen rascher Fahrt hätten ihr den entscheidenden Vorsprung gegeben. Sheila betrachtete das Stemmeisen, den schmalen Streifen Brücke zu ihren Füßen, das schäumende Wasser tief unter ihr. So gefährlich war es nicht, und Höhenangst hatte sie keine. Es war immer noch möglich, daß ein Gegner irgendwo lauerte, auf dem Dach zum Beispiel, aber das Risiko mußte sie eingehen. Sheila nahm das Stemmeisen und kletterte vorsichtig hinaus.
    Ohne die lange, schwere Stange wäre es nicht weiter schwierig gewesen: ein paar beherzte Schritte seitwärts, mit dem Gesicht zum Wagen. Selbst bei so starkem Regen. Aber mit dem Eisen in der Hand war es entsetzlich; nur der Gedanke an die unbeweglichen Mienen der Männer, die sie verfolgten, brachten sie schließlich ans Ende des Wagens. Aber sie schaffte es. Sie stemmte die Stange zwischen Schiene und

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