Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)
und das ist unsere Hoffnung. Für den Fall, daß Sie nichts über Appleby wissen, lassen Sie mich sagen, er kennt sich in diesen Dingen aus. Aber jetzt zu dem Zug aus Edinburgh. Das ist etwas anderes. Da hatten wir Richards angesetzt.«
»Richards?« fragte Appleby. »Ist das der Knabe mit den hellblonden Haaren?«
»Ja. Er beschattete einen Burschen namens Wright – oder Richter, wenn Ihnen das lieber ist. Wir hatten den Eindruck, daß Wright eine Auslandsreise machen wollte, und wir wußten nicht genau, was er im Gepäck hatte. Nicht viel wahrscheinlich.« Hartley sagte es mit dem Anflug eines Lächelns.
»Genaugenommen«, sagte Appleby, »das, was Sie ihm zugesteckt hatten.«
Hartley strahlte den Hünen an. »Sehen Sie – der Mann hat Talent. Nach allem, was wir wußten, hatte Wright nichts mit der Sache Orchard zu tun. Aber da er sich offensichtlich aus dem Staub machen wollte, bekam Richards den Auftrag, ihm zu folgen, notfalls bis Riga oder Chungking – wir wollten gern ein paar von seinen Freunden im Ausland kennenlernen. Nun, Wright fuhr von London nach Edinburgh, und man hätte gedacht, daß er sich in Leith einschiffen würde. Aber von Edinburgh nahm er den Zug nach Perth, einen Zug, der Anschluß an denjenigen hatte, aus dem das Mädchen verschwunden ist. Das war nicht weiter ungewöhnlich: ein Haken, den er schlug, um die Verfolger abzuschütteln. Und tatsächlich war Wright binnen kurzem wieder in Edinburgh, wo er Richards entwischte.«
Der Hüne schnalzte mißbilligend mit der Zunge.
»Womit ich sagen will, daß das letzte, was Wright am Waverley-Bahnhof aus dem Rückfenster eines Taxis sah, Richards war, wie er vergebens versuchte, einen trägen Chauffeur zur Verfolgung anzutreiben. Aber natürlich hatte jemand anderes übernommen, und als Wright am Abend in seiner hübschen Verkleidung als schwedischer Pastor an Bord des Frachtdampfers nach Larvik ging, hatte Richards es sich schon unter Deck gemütlich gemacht.«
»Gute Arbeit.« Der Hüne angelte nach der Worcestersauce.
»Oh ja, wir sind schlau. So schlau wie die anderen allemal.« Hartley lächelte sein grimmiges Lächeln. »Und noch ein bißchen schlauer, wenn die Götter uns gewogen sind.«
»Diesmal«, sagte Appleby nüchtern, »allerdings eher ein bißchen weniger schlau.«
»Sieht ganz so aus. Warum Wright auf seiner Flucht noch Botschaften über Orchard absetzen mußte, weiß ich nicht. Aber so etwas kommt vor. Und anscheinend ist ja auch angekommen, was er zu sagen hatte. Ich finde, Richards hätte etwas merken müssen – schließlich paßt es überhaupt nicht zu Wright, daß er plötzlich Gedichte aufsagt, und so muß es ja wohl gewesen sein. Aber er hat nichts berichtet, und jetzt ist er unterwegs. Es kann Tage dauern, bis wir wieder Kontakt haben.«
»Ich frage mich«, sagte der Hüne, »was für Informationen über Orchard das gewesen sein könnten. Ich meine, was kann man denn in einem Swinburne-Gedicht unterbringen?«
Wieder holte Appleby seine Poems and Ballads hervor und legte den Band aufgeschlagen zwischen seine beiden Tischgefährten; er ließ sie ein paar Verse des Verlassenen Gartens lesen, bevor er weitersprach. »Das Konkreteste an dem Gedicht ist ein gewisses Maß an topographischer Beschreibung gleich zu Anfang. Ich denke mir, da konnte Wright durchaus ein paar Hinweise auf Orchards Aufenthaltsort unterbringen. Dort in dem Eisenbahnabteil, mit Richards und einem sehr gescheiten Mädchen dabei, übermittelte er einem Komplizen exakt, wo Rodney Orchard zu finden war.«
Es herrschte Schweigen. Unwillkürlich schob Hartley seinen Teller mit Brot und Käse fort, der Hüne trommelte mit den Fingern auf die Tischdecke, und Appleby vertiefte sich noch einmal in das Gedicht. Und dann sagte eine Stimme neben ihnen: »Das ist gerade gekommen, Sir. Für Ihre kleine Maschine.« Es war ein munterer junger Mann mit einer Reiseschreibmaschine; er setzte sich auf die Bank zu Hartley und legte ihm einen Umschlag neben den Teller. »Da drüben sitzt der alte Stein, Sir, da an der Säule. Sie sollten ihm ein Essen spendieren. Morgen, Onkel George.« Er nickte dem Hünen lässig zu, begrüßte Appleby mit einem charmanten Lächeln und wandte sich dann der Speisekarte zu.
Der Hüne runzelte die Stirn. Aber Hartley nickte eifrig. »Der arme alte Stein – da kann man ihm eine Freude machen.« Er stellte sich die Schreibmaschine auf die Knie und schloß den Deckel mit einem Schlüssel auf, den er in der Tasche hatte; dann
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