Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
Vom Netzwerk:
Kopf. »Motorwagen meistens. Aber jetzt muß ich zum Zug.«
    Sie sah ihm zu, wie er, die Fiedel unters Kinn geklemmt, seinen seltsamen Marsch den Waldweg entlang aufnahm. Dann legte er die Fiedel ab, wühlte in seinem Bündel. Er drehte sich um und hielt ein Buch in die Höhe. »Gedichte«, rief er. »Gedichte von einem Mann aus Moray. Die Philosophie eines Fiedlers. Ein Shilling.«
    Sheila zahlte. Sie bezahlte ihn und sah ihm nach, wie er langsam davonzog – überrascht beinahe, daß er sich nicht in Luft auflöste, so sehr kam ihr die ganze Begegnung mit einemmal wie ein Traum vor. Und dann wandte sie sich um und hielt nach der Straße Ausschau.
    Es war Spätnachmittag, sonnig, und als der Wald sich zu lichten begann, war sie umgeben von langen Schatten. Alles war still, und sie hielt im Gehen die Ohren gespitzt, ob nicht in der Ferne das Brummen eines Wagens oder Motorrads zu hören war. Aber nach wie vor vernahm sie nur Laute der Natur: das Rascheln eines Kaninchens im dürren Farnkraut, den Schrei einer Schnepfe von Norden her – ein leises Schnauben, wie Elfenponys es vielleicht machten, wenn sie vor einem Wiesel oder Frettchen flohen … Unendliche Einsamkeit. Sie überlegte, ob sie sich verirrt hatte. Dann sah sie die Straße.
    Glatt, breit, gerade, ungeheuer menschlich inmitten all der Natur, erstreckte sie sich vor ihr. In regelmäßigen Abständen standen quadratische, weiß getünchte Pfosten, die vor dem Straßengraben warnten; eine Ölspur schillerte, und über ihr liefen Telegraphendrähte, Leitungen, über die man mit Sydney oder New York telefonieren konnte. Und hinter ihr noch immer kein Laut, nur der Wald.
    Aber bald. Bald würde die Verantwortung – so unbekannt in Art und Ausmaß – von ihren Schultern genommen. Bald war sie außer Gefahr. Doch wartete sie besser hier im Schutz des Waldes, bis …
    Die Bäume warfen ihre langen Schatten auf die Straße wie die Gitterstäbe eines gigantischen Gefängnisses. Sie suchte nach ihrem eigenen Schatten, winzig und eingeschlossen darin. Da war er, ein wenig nach links gerückt. Aber sie sah nicht einen, sondern zwei Schatten. Sie fuhr herum. Dousterswivel stand neben ihr.
    In drei Schritten Abstand. Er betrachtete sie – nicht ausdruckslos wie seine Untergebenen, sondern mit einem Lächeln, das spöttisch und doch gutmütig und kultiviert war. »Es ist zwecklos, Miss Grant«, sagte er. »Wir haben den längeren Arm.«
    Sheila hatte die Hand in der Tasche. Es war nicht leicht. Danach würde sie wohl nie wieder ganz dieselbe sein – und wer gab sich schon gern auf? Vermutlich hatte er ja auch gar nicht vor, sie umzubringen – jedenfalls nicht im Augenblick. Aber da stand er, an einem Ort, an den er nicht hingehörte. Und hier stand sie, mit Informationen im Kopf, an deren Weitergabe er und seine Freunde sie mit allen Mitteln hindern wollten. Sheila zog die Hand aus der Tasche und mit ihr die Pistole. Sie drückte ab. Und Dousterswivel machte eine merkwürdige Drehung auf dem Absatz und rollte in den Graben.
    Der Knall war laut, und sein Echo hörte sie nun in ihrem Kopf, immer und immer wieder. Dann begriff sie, daß das, was sie hörte, der Motor eines Motorrads war, aber noch bevor diese Erkenntnis wirklich in ihrem Hirn angelangt war, hatte das Geräusch aufgehört. Vor sich auf der Straße sah sie verschwommen etwas Rotes. Es nahm Gestalt an, und sie stieß einen Laut der Erleichterung aus. Briefkastenrot. Es war ein Motorrad mit einem kleinen Kofferabteil als Seitenwagen. Und ein junger Mann in Postbotenuniform betrachtete sie sichtlich verblüfft.
    Sheila hielt ihm die Pistole hin. »Ich habe einen Mann erschossen«, sagte sie. »Einen Agenten. Bringen Sie mich fort von hier.«
    Der junge Mann auf dem Motorrad machte große Augen. »Erschossen?« Dousterswivel lag tief im Graben, und von wo er saß, konnte er ihn nicht sehen. »Ich glaube, das sollten Sie lieber der Polizei erzählen, Miss.« Wieder starrte er ungläubig die Pistole an. »Möchten Sie, daß ich dem Sergeant in Craigard Bescheid sage? Vielleicht kommt er auf seiner Maschine heraus zu Ihnen.«
    Sheila warf einen Blick über die Schulter, wo es zwischen den Kiefern allmählich dunkelte. Unmöglich zu sagen, wie nahe Dousterswivels Leute waren. »Fahren Sie mich nach Craigard, jetzt gleich«, sagte sie. »Ich steige hinten auf.«
    »Das ist gegen die Vorschriften.«
    Der junge Mann sah sie ängstlich an. Und Sheila hatte das Gefühl, daß sie hinter sich im trockenen Farn etwas

Weitere Kostenlose Bücher