Der geheime Zoo. Auf der Jagd nach den Yetis
aus Charlie Browns Garten geklaut?»
«Zeig ihm deine Liebe, und er wird dir seine Schönheit offenbaren», meinte Richie. «Wie alle anderen Dinge auch.»
Ella berührte einen Zweig, und die Nadeln rieselten herunter. «Das ist ja die reinste Brandgefahr.»
Unter dem Baum lagen vier Geschenke. Ella bückte sich und las die Beschriftungen. Dann richtete sie sich wieder auf und seufzte. «Ich bin überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung.»
Die Weihnachtsbeleuchtung blinkte, und Noah sah Ellas Gesicht einen Moment lang aufleuchten. Ihre Lippen zitterten, und ihre Augen standen voller Tränen. Sie war nicht bloß schlecht gelaunt – sie war wirklich traurig. Und als Noah klarwurde, warum, wurde ihm das Herz schwer. Vor ein paar Jahren hatten Ellas Eltern sich scheiden lassen. Ihr Vater war weggezogen, und Ella sah ihn kaum noch. Dass Ella nicht in Weihnachtsstimmung kam, lag nicht am fehlenden Schnee, sondern daran, dass es die Zeit im Jahr war, an der Familien zusammenkamen. Und ihr Vater war nicht da. Bei all den Ereignissen im geheimen Zoo hatten Noah, Megan und Richie das einfach vergessen.
Noah sprang aus seinem Sitzsack und eilte zum Baum. «Los, wir machen jetzt Bescherung!»
«Ehrlich?», fragte Ella.
Er nahm sein Geschenk in die Hand. «Ehrlich.»
«Aber wir warten doch immer bis Heiligabend», sagte Ella. «Das ist Tradition.»
«Was für einen Wert hat Tradition ohne die Gefahr einer Veränderung, hm?» Noah stieß Ella sanft in die Seite. «Dieses Weihnachten sind wir wohl die Gefahr.»
«Wow …», meinte Ella. Sie wischte sich hastig eine Träne ab. «Große Worte. Du hörst dich beinahe an wie Richie.»
Als Ella sich den Geschenken zuwandte, drehte sich Noah zu Richie und Megan um und formte die Worte «ihr Vater» mit den Lippen. Die beiden anderen sprangen sofort auf und kamen zu ihnen.
«Ich war so schlecht gelaunt …», sagte Ella. «Tut mir leid, Leute. Ich vermisse bloß … ihr wisst schon …» Sie schluckte.
Megan legte den Arm um Ellas Schulter und zog sie an sich. «Ja, das wissen wir», sagte sie.
Ella war ein paar Minuten sehr still. Die Scouts ließen ihr die Zeit. Ihre Brust hob sich zitternd, während sie das Weinen unterdrückte. Dann sagte sie: «Manchmal … manchmal wünschte ich … ach, egal.»
Megan legte ihren Kopf an Ellas. «Ist schon gut», sagte sie.
Alle schwiegen und teilten Ellas Schmerz. Ein paar Minuten vergingen. Die Lichter blinkten. Der Wind heulte, und in der Ferne fuhr ein Auto vorbei.
«Wer will anfangen?», fragte Megan schließlich.
Richie zögerte nicht. Das Geschenkpapier flog durch die Luft, und zum Vorschein kam eine große Packung Batterien.
«Für deine Nerd-Ausrüstung», sagte Noah mit einem Augenzwinkern.
«Danke, Mann!»
Megan kam als Nächste. Ihr Geschenk war von Ella. Es waren vierundzwanzig Silly Bandz in Form von Zootieren, die im Dunkeln leuchteten. «Wie cool!»
Noahs Geschenk stammte von Megan. Sie hatte ihm eine neue Armbanduhr besorgt.
«Weil du deine im geheimen Zoo verloren hast», erklärte sie und meinte die Uhr, die er bei seiner ersten Reise im kalten Wasser des Pinguin-Palastes ruiniert hatte.
Noah strahlte und legte sich die Uhr gleich um.
Richie schob Ella das letzte Geschenk zu. «Hier. Von mir.»
Ella drehte und wendete den Karton in den Händen. Ihre Tränen waren getrocknet, und sie schien wieder ganz sie selbst. «Oh, super. Dieses Jahr hat Richie meinen Namen gezogen. Bin gespannt, was dadrin ist. Aber ein Mädchen kann ja nie genug Stablampen haben, oder?»
Die Scouts kicherten. Dann riss Ella das Papier ab, griff in die Schachtel und ließ das Geschenk an ihrem Finger herabbaumeln. Es war ein silbernes Armkettchen mit fünf Anhängern daran, auf jeden waren ein oder mehrere Worten graviert.
«Was steht da?», wollte Megan wissen.
Eine ziemlich lange Zeit schwieg Ella. Schließlich las sie laut vor:«Megan. Noah. Ella. Richie.» Sie holte tief Luft, dann las sie die letzte Aufschrift: «Beste Freunde für immer.»
Eine bunte Glühbirne beleuchtete Ellas Lächeln. Sie legte das Armband um, dann hielt sie es hoch. Die blinkende Lichterkette glitzerte auf dem glänzenden Silber. Und eine frische Träne glänzte in Ellas Auge.
Richie sagte: «Du hast keine Ahnung, wie schwer es war, einen Anhänger mit ‹Noah› drauf zu finden», während er seine Batterien in die Jackentasche schob. Sein gelassener Ton machte deutlich, dass er keine Ahnung hatte, wie gerührt Ella von seinem Geschenk war.
Weitere Kostenlose Bücher